Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschwindigkeitsmessung. standardisiertes Messverfahren. Leivtec

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Tatsache, dass bei einem bisher als "standardiertes Messverfahren" der Geschwindigkeit anerkanntem Messverfahren ein besonderer Messaufbau unzutreffende Messergebnisse liefert, spricht nicht gegen die Annahme eines sogenannten standardisierten Messverfahrens, wenn bei gleichem Versuchsaufbau stets gleiche Messergebnisse erzielt werden.

2. Bei dem Messverfahren mit dem Gerät Leivtec XV3 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren auch unter Berücksichtigung des Abschlussberichts der Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt vom 9. Juni 2021.

 

Orientierungssatz

Orientierungssätze:

Leivtec-Geschwindigkeitsmessung auch nach Überprüfung von Ausnahmesituationen standardisiertes Messverfahren

 

Normenkette

StVO §§ 3, 41, 49 Abs. 2; BKatV

 

Tenor

  1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
  3. Die Betroffene trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
 

Gründe

I.

Gegen die Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts X. vom 5. Februar 2021 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 33 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften mit einem Kraftfahrtzeug ein Bußgeld in Höhe von € 120,00 verhängt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war die Betroffene zuvor straßenverkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Sie habe am 23. Januar 2020 um 11:39 Uhr die L 126 als Führerin eines PKW in Richtung Y. befahren. Im Bereich der Gemeinde Y., Z-Straße, sei eine Geschwindigkeit von 66 km/h mit einem Messgerät Leivtec Xv3, Gerätenummer 100185, gemessen worden. Zulässig sei an dieser Stelle eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Das Messgerät sei laut Eichschein der Hessischen Eichdirektion bis zum 31. Dezember 2020 geeicht gewesen. Bei dem Messverfahren handele es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Die Messbeamtin sei geschult gewesen und habe die Messanlage entsprechend der Herstellervorgaben in Betrieb genommen.

Mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Das Gericht hätte die gestellten Beweisanträge der Verteidigung nicht ablehnen dürfen, daher greife die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 StPO . Das Gericht hätte dem Beweisantrag auf Vernehmung der Messbeamtin und des Landrats stattgeben müssen, da die Verkehrszeichen nicht aufgrund einer Anordnung der zuständigen Behörde aufgestellt worden seien. Zudem handele es sich bei dem Messverfahren nicht um ein standardisiertes Messverfahren, da es keine Rohmessdaten speichere und magnetische Elemente enthalte.

Die Generalstaatsanwaltschaft trat dem in ihrer Zuschrift vom 31. März 2021 entgegen, beantragte jedoch die Zurückstellung einer Entscheidung, da die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) den Gerätetyp auf unzulässige Messwertabweichungen überprüfe.

Die PTB kam laut Abschlussbericht vom 9. Juni 2021 zu dem Ergebnis, dass es zunächst bei der Bauartprüfung bei vielen tausend Testfahrten kein einziger Fall einer unzulässigen Messwertabweichung aufgetreten sei. Nur mit speziell präparierten Fahrzeugen und weiteren über tausend Messfahrten ließen sich unzulässige Messwertabweichungen feststellen. Dabei war allen Fällen unzulässiger Messwertabweichung gemein, dass es sich um sogenannte Rechtsmessungen handelte, also das Messgerät in Fahrtrichtung des gemessenen Fahrzeugs am linken Fahrbahnrand aufgestellt war, das Nummernschild nicht vollständig im Messfeldrahmen enthalten war und die Länge der Messstrecke weniger als 12,2 Meter betrug.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat insoweit Erfolg, als die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen war. Es ist senatsbekannt, dass zahlreiche Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zuständigkeitsbereich des Senats anhängig sind, die auf Geschwindigkeitsüberschreitungen beruhen, bei denen die Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät vom Typ Leivtec XV3 erfolgt ist. Aufgrund der Diskussion um unzulässige Messwertabweichungen und der abgeschlossenen Überprüfung des Messgerätetyps durch die PTB bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung zur Frage der Verwendung der Messgeräte.

Nach § 80a Abs. 3 OWiG wird die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ebenfalls zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung auf den Senat übertragen.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die erhobenen Rügen decken keinen durchgreifenden Rechtsmangel im angefochtenen Urteil auf.

1.

Die erhobene Verfahrensrüge genügt bereits nicht den Formerfordernissen aus § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG , § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO . Die Betroffene rügt, das Amtsgericht hätte die gestellten Beweisanträge nicht ablehnen dürfen und wäre auch ohne Beweisanträge verpflichtet gewesen, die Beweise von Amts wegen zu erheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt in ih...

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