Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ausstellung des Sohnes des zuständigen Richters in der eine Prozeßpartei vertretenden Anwaltskanzlei ist stets als Befangenheitsgrund anzusehen.

 

Orientierungssatz

Befangenheit des Richters wegen Anwaltstätigkeit seines Sohnes.

 

Normenkette

ZPO § 42 II; BRAO § 20 Abs. 1 Nr. 3

 

Beteiligte

Rechtsanwalt Immo Michael Becker

Rechtsanwälte Zank, Zank, Soika und Gerber

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 1 AR 12/00)

AG Bad Oldesloe (Aktenzeichen 2 C 524/98)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Befangenheitsgesuch des Klägers vom 14. Februar 2000 gegen den Direktor des Amtsgerichts … wird für begründet erklärt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 569 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist begründet, weil die Anstellung des Sohnes des abgelehnten Richters in der die Beklagte vertretenden Anwaltskanzlei ein hinreichender Grund ist, der geeignet ist, auch bei verständiger Würdigung aus der Sicht des Klägers Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO.

Wie bei allen Ablehnungsgesuchen kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist. Der Senat hat keinen Zweifel, daß der abgelehnte Richter entsprechend seiner dienstlichen Äußerung vom 18. Februar 2000 tätig werden würde.

Die darauf gestützte, auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles abstellende Entscheidung des Landgerichts greift indes zu kurz. Das Landgericht hat dabei nämlich die grundsätzliche gesetzgeberische Wertung in § 20 Abs. 1 Nr. 3 BRAO nicht berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift ist nämlich einem Anwaltsbewerber sogar die Zulassung bei einem Gericht zu versagen, bei dem ein in gerader Linie Verwandter als Richter tätig ist. Folgerichtig wird auch einem Richter bei der Bewerbung um ein Richteramt die Erklärung abverlangt, ob er mit einem im Lande zugelassenen Anwalt verwandt oder verschwägert sei.

Diese gesetzliche Regelung beruht auf der Wertung, daß bei einem nahem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Anwalt und Richte in jedem Prozeß, an dem beide verfahrensmäßig beteiligt sind, die Gegenseite Grund zum Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters haben könnte. Dem soll von vornherein und ohne Rücksicht auf den jeweiligen Einzelfallgenerell vorgebeugt werden.

Zwar hat der Gesetzgeber das genannte Beteiligungsverhältnis nicht als Ausschließungsgrund von der Ausübung des Richteramtes im Sinne von § 41 ZPO ausgestaltet. Das hindert aber nicht, die generelle gesetzgeberische Wertung bei konkreten Ablehnungsgesuchen nach § 42 Abs. 2 ZPO durchschlagen zu lassen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll auch nur der Anschein, verwandtschaftliche Beziehungen des Richters zu einer an einem Prozeß beteiligten Anwaltsseite könnten irgendeinen Einfluß auf den Prozeß gewinnen, von vornherein vermieden werden.

Allerdings ist der Sohn des abgelehnten Richters entgegen der Ansicht des Klägers in dieser Sache nicht mandatiert, weil er in der Anwaltskanzlei … lediglich als angestellter Anwalt beschäftigt ist. Ein Rechtsanwaltsvertrag kommt aber in aller Regel nur mit den in Sozietät verbundenen Anwälten, nicht ohne weiteres mit den dort angestellten Anwälten zustande.

Indes ist dieser Umstand nach Auffassung des Senats wegen der maßgeblichen Sicht der ablehnenden Partei unerheblich. Aus der Sicht der Partei spielt dieser rechtliche Aspekt keine Rolle. Für sie ist nur von Bedeutung, daß in der Anwaltskanzlei ein Sohn des abgelehnten Richters tätig ist und sie deshalb befürchtet, daß dieser Umstand in irgendeiner Weise den Richter beeinflußt. Diese Wertung aber kann wegen der gleichgerichteten gesetzgeberischen Entscheidung in § 20 Abs. 1 Nr. 3 BRAO nicht als unvernüftige, rein subjektive Sicht der Partei behandelt werden.

Im Gegenteil, aus den genannten Gründen ist ein Richter bei einer Konstellation wie im vorliegenden stets als befangen anzusehen, ohne daß es auf die Umstände des Einzelfalles ankäme. Nur eine solche Verfahrensweise stellt sicher, daß die Integrität der Justiz in den Augen der rechtsuchenden Bevölkerung über jeden Zweifel erhaben bleibt.

Da das Befangenheitsgesuch Erfolg hat, bedarf es keiner Kostenentscheidung. Kosten eines erfolgreichen Befangenheitsgesuches folgen der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

 

Fundstellen

Haufe-Index 547816

OLGR Düsseldorf 2000, 15

OLGR Frankfurt 2000, 15

OLGR Hamm 2000, 15

OLGR Köln 2000, 15

OLGR-BHS 2000, 15

OLGR-BHS 2000, 390

OLGR-KSZ 2000, 15

OLGR-NBL 2000, 15

www.judicialis.de 2000

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