Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit von Altersbeschränkungen für Youtube-Videos; Streitwert von gegen Altersbeschränkungen gerichteten Klagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Betreiber von Internetplattformen dürfen bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen im Rahmen der Vertragsfreiheit auch Altersbeschränkungen verhängen, wenn dies weder willkürlich noch ohne sachlichen Grund erfolgt. Dabei sind die vom Bundesgerichtshof für die Rechtmäßigkeit von Löschungen und Sperrungen auf Facebook aufgestellten Anforderungen einzuhalten.

2. Für den Streitwert von auf Aufhebung einer Altersbeschränkung gerichteten Klagen sind die vom Bundesgerichtshof für den Streitwert bei Löschung von Kommentaren und Nutzerkontensperren auf Facebook entwickelten Maßstäbe anzuwenden.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 01.07.2022; Aktenzeichen 6 O 205/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 01.07.2022, Az. 6 O 205/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich mit verschiedenen Ansprüchen gegen die Auferlegung einer Altersbeschränkung auf ein von ihm auf dem Kanal "Youtube" der Beklagten veröffentlichtes Video.

Die Videoplattform www.youtube.com wird von der Muttergesellschaft der Beklagten mit Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika betrieben. Für Nutzer in Europa ist die Beklagte Anbieterin und Vertragspartnerin. In Europa ist Youtube ausweislich der Online-Enzyklopädie Wikipedia das meistgenutzte Videoportal. Die Nutzung der Plattform wird unter anderem durch die Nutzungsbedingungen und die YouTube Community-Richtlinien der Beklagten geregelt. In den "Richtlinien zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten" (Anlage B2) sind unter anderem Inhalte untersagt, die "Straßenkämpfe, körperliche Angriffe, (...) Proteste oder Krawalle (...) zeigen, um bei Zuschauern Schock oder Ekel hervorzurufen". In den "Richtlinien zu Hassrede" (Anlage K2) werden unter anderem Beispiele für unzulässige Hassrede aufgezählt. Hierzu gehören die folgenden Äußerungen: "Alle [Personen aus Gruppen mit oben genannten Merkmalen] sind Verbrecher und Kriminelle" sowie "[Gruppe mit oben genannten Merkmalen] bedrohen unsere Existenz, daher sollten wir jede Gelegenheit nutzen, sie aus dem Land zu vertreiben". Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Kopien der Nutzungsbedingungen (Anlage K1) und der Richtlinien (Anlage K2 - Übersicht "Richtlinien und Sicherheit", Anlage K3 - "Richtlinien zu Hassrede" und Anlage B2 - "Richtlinien zu gewalttätigen oder grausamen Inhalten") verwiesen.

Der Kläger unterhält seit August 2017 auf Grundlage eines mit der Beklagten geschlossenen Nutzungsvertrags einen privaten Kanal auf der Videoplattform unter einem Pseudonym mit etwa 25.000 Abonnenten, um dort Videos mit politisch der Partei X nahestehenden Inhalten zu verbreiten. Am 23. Juni 2020 stellte er in seinem Kanal ein Video mit dem Titel "Partyszene - Schande von Stuttgart" ein, in dem mit einem von ihm gesprochenen Kommentar versehen unter anderem ein Video der Bild-Zeitung von Straßenkrawallen am 20./21. Juni 2020 in Stuttgart wiedergegeben wurde. In jenem Video ist ab Minute 3:39 eine Szene zu sehen, in der eine Person mit Anlauf und gestrecktem Bein in einen Polizisten, der sich zu einer festgehaltenen Person herunterbeugt, hineinspringt, so dass dieser zu Boden geworfen wird. Die Szene wird eingeleitet mit den Worten "Besonders erschreckend ist diese Szene..." und danach noch einmal unter Zuhilfenahme eines Zooms und in Zeitlupe wiederholt. Im Folgenden kommentiert der Kläger die in Ausschnitten aus Beiträgen anderer Nachrichtenkanäle eingeblendeten Ausschreitungen in Stuttgart unter anderem wie folgt:

"Man lässt Millionen kulturfremder junger Männer ins Land, die unser Volk aufgrund seines Selbsthasses als ehrlos empfinden. Diese Leute sind im Durchschnitt sehr bildungsarm, kommen dementsprechend über Sozialleistungen kaum raus. Was machen sie dann also, sie fangen an mit Drogen zu dealen, um sich einen höheren Lebensstandard zu finanzieren. (...) Ja, diese Klientel hat die Möglichkeit, theoretisch die Herrschaft in mehreren Städten zu übernehmen. (...) Sagen wir also, eine Horde marodierender Migranten randaliert in einer Großstadt. Die Polizei hat diesen nichts mehr entgegenzusetzen, da der Einsatz der Schusswaffe von der Politik niemals genehmigt wird. (...)"

Die Beklagte versah dieses Video noc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge