Verfahrensgang

LG Kiel (Aktenzeichen 6 O 195/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Kiel vom 30.4.2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 303,96 EUR zu tragen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 269 Abs. 5, 567 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Völlig zu Recht hat nämlich das LG den seine Klage nach Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten zurücknehmenden Kläger lediglich die nicht durch die Säumnis der Beklagten entstandenen Kosten des Rechtsstreits auferlegt und zugleich für diese säumnisbedingten Kosten die Kostentragungspflicht der Beklagten angeordnet. Dies folgt aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung. Denn soweit es dort heißt:

„Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind”,

wird jedenfalls durch die Verweisung auf einen „anderen Grund” für die Kostentragungspflicht des Beklagten der Weg zur Anwendung des § 344 ZPO und der dort angeordneten Kostentragungspflicht der säumigen Partei für die durch ihre Säumnis verursachten Kosten eröffnet.

Zwar hat die bisher überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. auch die Darstellung des Meinungsstandes bei Zöller/Herget, 23. Aufl., Stichwort „Klagerücknahme” bei § 91 ZPO Rz. 13) – darunter auch die von der Beklagten und Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG (OLG Schleswig v. 12.1.1998 – 6 W 32/97, MDR 1998, 562 = OLGReport Schleswig 1998, 76) – eine derartige Anwendung des § 344 ZPO im Rahmen des § 269 Abs. 3 ZPO nicht zugelassen. Dies erklärt sich jedoch bereits daraus, dass die bis 1998 geltende Fassung des § 269 Abs. 3 ZPO in der Tat eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten nur zuließ, soweit über diese Kosten „bereits rechtskräftig … erkannt” worden war. Unter diese Fallgruppe fiel die Auferlegung von Kosten zu Lasten des Beklagten in einem Versäumnisurteil, gegen welches rechtzeitig Einspruch erhoben worden war, ersichtlich nicht. Demgegenüber ist jedenfalls nach der Neufassung des § 269 Abs. 3 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 (BGBl. I 2001, 1887) nicht nur generell eine Auferlegung der Kosten zu Lasten des Beklagten in weiterem Umfang als bisher möglich, sondern auch speziell bei dessen vorheriger Säumnis.

a) Was die generelle Erweiterung des Wortlautes des § 269 Abs. 3 ZPO anbelangt, heißt es in der Begründung im Regierungsentwurf ZPO-RG (BT-Drucks. 14/4722, 80 f.) u.a.:

„Nach Absatz 3 S. 2 E hat der Kläger – wie bisher – als Folge einer Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aufzuerlegen sind. Nachdem bereits durch Artikel 3 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (KindesunterhaltsgesetzKindUG) vom 6.4.1998, BGBl. I 1998, 666, eine Öffnung dahin erfolgt ist, dass auch eine Kostenentscheidung zu Lasten des Beklagten möglich ist, stellt S. 2 E klar, dass dem Kläger die Kosten nicht auferlegt werden können, wenn einer schon der bisher von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle vorliegt, z.B. wenn der Beklagte durch außergerichtlichen Vergleich zur Kostentragung verpflichtet ist oder wenn er zuvor wirksam auf die Kostenerstattung verzichtet hat oder wenn der Kläger zu Recht geltend macht, dass eine wirksame Klagerücknahme nicht erklärt worden ist (vgl. hierzu Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 269 Rz. 15; Zöller/Greger ZPO, 21. Aufl., § 269 Rz. 18a).”

Obwohl die Gesetzesbegründung den hier liegenden Fall der Klagerücknahme nach Versäumnisurteil zu Lasten des Beklagten nicht ausdrücklich nennt, darf die erwähnte Aufzählung lediglich als beispielhaft verstanden werden, da offenkundig eine generelle „Öffnung” des § 269 Abs. 3 ZPO im Hinblick auf die Möglichkeit von zu Lasten des Beklagten gehenden Kostenentscheidungen beabsichtigt wurde. Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber die hier in Betracht kommende Fallkonstellation – wie der Verweis auf Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 269 Rz. 18a zeigt – durchaus bekannt war und er dennoch verzichtet hatte, diese Fallkonstellation auszunehmen.

b) Scheitert damit die Möglichkeit einer zu Lasten der säumigen Beklagten gehenden Kostenentscheidung jedenfalls in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung des § 269 Abs. 3 ZPO nicht mehr an der Abgeschlossenheit der in § 269 Abs. 3 ZPO enthaltenen Regelung (ebenso bereits für die seit Art. 3 des Kindesunterhaltsgesetzes vom 6.4.1998 geltende Fassung OLG München NJW-RR 2001, 1150 f.), so stehen einer entsprechenden Anwendung des § 344 ZPO im Rahmen einer nach § 269 Abs. 3 ZPO zu treffenden Kostenentscheidung auch nicht die fehlende Analogiefähigkeit des § 344 ZPO selbst oder Sinn und Zweck der zivilprozessualen Kostenverteil...

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