Entscheidungsstichwort (Thema)

Versagung der Prozesskostenhilfe für Berufungsbeklagten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach Vorlage der Berufungsbegründung ist für den Berufungsbeklagten die Beauftragung eines Rechtsanwalts jedenfalls in dem Fall, wo das Berufungsgericht unmittelbar nach Eingang der Berufungsbegründung darauf hingewiesen hat, dass es nach § 522 Abs. 2 ZPO vorzugehen beabsichtigt, grundsätzlich nicht notwendig und Prozesskostenhilfe daher nicht zu bewilligen.

2. Die Bestimmung in § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO beruht darauf, dass das Urteil der Vorinstanz eine Vermutung dafür begründet, dass die Verteidigung dieses Urteils durch denjenigen, der in der Vorinstanz obsiegt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Diese Vermutung kann jedoch in Ausnahmefällen nicht gerechtfertigt sein, in denen § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO daher auch keine Anwendung findet.

 

Normenkette

ZPO §§ 119, 522

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beklagte und Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Verteidigung gegen die Berufung des Klägers.

Die Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden. Der Kläger hat gegen das klagabweisende Urteil fristgerecht Berufung eingelegt, die dem Beklagtenvertreter, der auch in erster Instanz Prozessbevollmächtigter der Beklagten war, zugestellt worden ist. Auf Antrag des Klägers hat der Senat am 30.5.2008 die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 30.6.2008 verlängert. Die Abschriften der Verfügung sind am 2.6.2008 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten abgesandt worden. Dieser hat mit Schriftsatz vom 31.5.2008 angezeigt, dass er die Beklagte auch in der Berufungsinstanz vertrete, und die Zurückweisung der Berufung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Nach Eingang der Berufungsbegründung am 1.7.2008 hat der Senat diese an die Beklagte übersandt, ihr aber keine Frist zur Berufungserwiderung gesetzt, sondern am 28.7.2008 einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO erlassen, in dem er darauf hingewiesen hat, dass er beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen und diesbezüglich eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen gesetzt. Mit Schriftsatz vom 13.8.2008 hat der Beklagtenvertreter sich die Gründe des Hinweisbeschlusses zu eigen gemacht. Er gehe im Übrigen davon aus, dass sich der die Möglichkeit zur Stellungnahme im Wesentlichen an den Kläger richte, damit dieser die Berufung gegebenenfalls zurücknehme. Der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 1.9.2008 zurückgenommen.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ist zurückzuweisen, da die Verteidigung der Beklagten und Berufungsbeklagten nicht notwendig war.

1. Zwar ist nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass Prozesskostenhilfe dem Gegner ausnahmslos in jedem Fall zu bewilligen ist. Die Bestimmung in § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO beruht darauf, dass das Urteil der Vorinstanz eine Vermutung dafür begründet, dass die Verteidigung dieses Urteils durch denjenigen, der in der Vorinstanz obsiegt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Diese Vermutung kann jedoch in Ausnahmefällen nicht gerechtfertigt sein, in denen § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO daher auch keine Anwendung findet (vgl. Zöller/Phillippi, ZPO, 26. Aufl., § 119 Rz. 56). Des Weiteren besteht nur die Vermutung dafür, dass die Verteidigung der angefochtenen Entscheidung als solche hinreichende Erfolgsaussicht bietet und nicht mutwillig ist, nicht aber dafür, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts in jeder Lage des Rechtsmittelverfahrens nicht mutwillig ist. (vgl. BGH NJW 1982, 446) Die Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Recht nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114 Rz. 30) Es ist zwar anzunehmen, dass auch eine verständige Partei, die ihren Prozessbevollmächtigten selbst bezahlen muss, die zu ihren Gunsten ergangene erstinstanzliche Entscheidung verteidigt, insbesondere weil die Erfolgsaussicht der Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils grundsätzlich nicht verneint werden kann. Jedoch wird sie einen Rechtsanwalt nicht einschalten, solange dies zur Wahrung ihrer Rechte offenkundig nicht notwendig ist.

2. Hier war die Beauftragung des Klägervertreters in der 2. Instanz aus Sicht einer verständigen, kostenbewussten Partei, auf die abzustellen ist, nicht notwendig.

a) Die Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, entsteht - von Ausnahmefällen abgesehen - noch nicht mit der Kenntnisnahme von der eingelegten Berufung, da in diesem Verfahrensstadium noch nicht einmal absehbar ist, ob die Berufung frist- und formgerecht begründet wird. Zu dem Zeitpunkt, als sich die erstin...

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