Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularmäßig vereinbarter Gerichtsstand des Verkäufers als mutmaßlich ausschließlicher Gerichtsstand nur für Passivprozesse des Verwenders

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbaren die Parteien eines Kaufvertrags in den AGB des Verkäufers den Sitz des Verkäufers als Gerichtsstand, so spricht weder eine Vermutung für eine Ausschließlichkeit der Zuständigkeit des prorogierten Gerichts noch gegen sie. Mangels abweichender Anhaltspunkte geht der mutmaßliche Wille in diesem Fall dahin, dass der AGB-Verwender eine Ausschließlichkeit nur für Klagen gegen sich selbst herbeiführen will, während es für Aktivprozesse bei einem fakultativen Gerichtsstand bleiben soll.

2. Eine Verweisung an ein nach ganz überwiegender Ansicht unzuständiges Gericht ist grundsätzlich willkürlich und deshalb nicht bindend, wenn mangels Begründung nicht erkennbar ist, ob der Verweisung tatsächlich ein Abwägungsprozess und eine bewusste Entscheidung für die Minderansicht vorausgegangen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 38 Abs. 1; ZPO § 281 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Eckernförde (Aktenzeichen 6 C 34/06)

AG Kassel (Aktenzeichen 413 C 1186/06)

 

Tenor

Das AG Eckernförde wird zum zuständigen Gericht bestimmt.

 

Tatbestand

Die Klägerin mit Sitz im Bezirk des AG Kassel macht gegen die im Bezirk Eckernförde wohnende Beklagte den Kaufpreis für Warenlieferungen geltend. Sie hat einen Mahnbescheid gegen die Beklagte erwirkt, in welchem als Streitgericht das AG Eckernförde angegeben war. Nach Widerspruch der Beklagten ist die Akte beim AG Eckernförde eingegangen. Die Klägerin hat den Antrag gestellt, das Verfahren an das AG Kassel zu verweisen, dessen Zuständigkeit in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart sei. In der von ihr beigefügten Kopie eines Bestellzettels heißt es: "Der Gerichtsstand ist für beide Teile Kassel". Durch Beschluss vom 16.2.2006 hat sich das AG Eckernförde nach Gewährung rechtlichen Gehörs für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG Kassel verwiesen. Zur Begründung hat es angeführt: "Es liegt eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen 2 Kaufleuten i.S.d. § 38 ZPO vor". Das AG Kassel hat die Übernahme mit Beschluss vom 28.4.2006 abgelehnt und die Akte zurückgesandt. Das AG Eckernförde hat daraufhin unter dem 15.5.2006 die Sache dem OLG Schleswig vorgelegt).

 

Entscheidungsgründe

Die Vorlage ist im Rahmen eines negativen Kompetenzkonfliktes nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zulässig. Zum zuständigen Gericht war das AG Eckernförde zu bestimmen.

Das AG Eckernförde hat den Rechtsstreit zu Unrecht an das AG Kassel verwiesen. Eine Verweisung kommt gem. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn das verweisende Gericht unzuständig ist. Das AG Eckernförde ist jedoch gem. §§ 12, 13 ZPO für die vorliegende Klage örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Wohnsitz im dortigen Bezirk hat.

Ob daneben noch ein weiterer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand bei einem anderen Gericht gegeben war, ist wegen § 35 ZPO unerheblich. Denn die Klägerin hat das ihr nach der letztgenannten Vorschrift zustehende Wahlrecht zwischen dem nach §§ 12, 13 ZPO zuständigen Amtgericht Eckernförde und einem ggf. ebenfalls zuständigen anderen Gericht bereits dadurch unwiderruflich ausgeübt, dass sie im Mahnbescheidsantrag gem. § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO das AG Eckernförde als das für das Streitverfahren zuständige Gericht bezeichnet hat und der entsprechend ausgefertigte Mahnbescheid zugestellt worden ist (BGH v. 10.9.2002 - X ARZ 217/02, BGHReport 2003, 44 = MDR 2002, 1446 = NJW 2002, 3634; v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 35 Rz. 2 u. § 690 Rz. 16).

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Parteien Kassel als ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart hätten, so dass es der Klägerin nicht mehr frei stand, das für den Wohnsitz der Beklagten zuständige AG Eckernförde zu wählen. Sie hätte in diesem Fall im Mahnbescheidsantrag nicht eine Wahl zwischen mehreren zuständigen Gerichten getroffen, sondern ein unzuständiges Gericht benannt, das auf Grund des Antrags der Klägerin tatsächlich an das zuständige Gericht hätte verweisen müssen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 696 Rz. 7). Dass ein derartiger Sachverhalt vorliegt oder vom AG Eckernförde bei seinem Verweisungsbeschluss zumindest angenommen worden ist, ergibt sich hier jedoch weder aus der Akte noch aus einer Begründung des Verweisungsbeschluss.

Es fehlt insoweit zum einen schon an einer ausreichenden Darlegung von Tatsachen, um überhaupt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung i.S.d. § 38 Abs. 1 ZPO annehmen zu können. Die Klägerin hat keine Anspruchsbegründung für das streitige Verfahren eingereicht. Sie schreibt lediglich, die Zuständigkeit des AG Kassel sei in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart. Jeglicher diese Behauptung ausfüllender Vortrag zu dem für § 38 Abs. 1 ZPO erforderlichen Vertragsschluss, zu einer Einbeziehung der entsprechenden AGB in den Vertrag od...

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