Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. ambulante Brachytherapie mit permanenter Seeds-Implantation. Kostenerstattungsanspruch. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Orientierungssatz

1. Eine Krankenkasse hat die Kosten einer selbstbeschafften ambulanten Brachytherapie mit permanenter Seeds-Implantation bei Prostatakrebs zu erstatten, wenn sie den Antrag auf Kostenübernahme abgelehnt hat, ohne zwischen ambulanter und stationärer Behandlung zu differenzieren.

2. Der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB 5 verdrängt einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Anschluss an BSG vom 4.4.2006 - B 1 KR 5/05 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen B 1 KR 25/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für die zweite Instanz zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer bei ihm durchgeführten ambulanten Brachytherapie mit permanenter Seeds-Implantation bei Prostatakrebs in Höhe von 8.275,00 EUR hat.

Der 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Bei ihm wurde ein Prostatakarzinom im Anfangsstadium diagnostiziert. Der ihn behandelnde Urologe Dr. L. teilte daraufhin der Beklagten die Bitte um Kostenübernahme für die Implantation von permanenten Seeds in die Prostata mit. In seinem Schreiben vom 17. Dezember 2003 erläuterte er die möglichen Therapien und wies in diesem Zusammenhang auf die Vorteile der streitgegenständlichen Behandlung und die Heilungschance bei früher Diagnosestellung hin. Bei Betrachtung der PSA von 7,2 mg/ml maximal und der Histologie (Gleason 6-Tumor) sollte man im Einklang mit den Empfehlungen der amerikanischen Urologen- und Strahlentherapeutengesellschaft eine Monotherapie mit 145 Gy Brachytherapie durchführen, um optimale Heilungschancen zu gewährleisten. Demgemäß sei diese Therapie zwingend die Therapie der Wahl für den Kläger. Es entstünden Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 8.275,00 EUR.

Unter Hinweis darauf, dass es sich hierbei um eine neue Untersuchungsmethode handele, die noch keinen Eingang in die vertragsärztliche Versorgung gefunden habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Januar 2004 eine Kostenübernahme ab. Es lägen noch keine verwertbaren Studien vor, die den Nutzen der Methode und eine Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Behandlungen eindeutig belegten. Vom Arbeitskreis Urologische Onkologie der Deutschen Urologischen Gesellschaft sei eine Studie zur Brachytherapie geplant. Sobald positive Studienergebnisse vorlägen, werde sich die Beklagte für eine Aufnahme der Brachytherapie als Vertragsleistung einsetzen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die beantragte Therapie erfolge ambulant. Ansonsten müsse seine Frau ins Pflegeheim. Daneben erhielt die Beklagte von Dr. L. ein weiteres Schreiben, in dem dieser bat, die Entscheidung nochmals zu überdenken. Es handele sich um keine neue Methode, vielmehr lägen bereits Langzeitergebnisse über 5, 10 und 12 Jahre vor. Die Nebenwirkungen der Seed-Implantation seien deutlich geringer als die der Operation. Mit dem VdAK liefen derzeit Verhandlungen zum Vertragsabschluss zwischen diesem und dem Ambulanten Brachytherapiezentrum Schleswig-Holstein, dessen Mitglied er, Dr. L., sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 9. April 2004 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu überprüfende Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der streitigen Therapie sei bereits erwiesen. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass die Brachytherapie auf Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses bereits in den Katalog der erstattungsfähigen “hochspezialisierten Leistungen„ des § 116b Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) aufgenommen worden sei. Dies wäre kaum geschehen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Therapie für unwirksam und unwirtschaftlich hielte. Außerdem habe jedenfalls die stationäre Durchführung einer Brachytherapie mit Wirkung zum 1. Januar 2004 Eingang in die Verordnung zum Fallpauschalensystem der Krankenhäuser und damit in den Abrechnungskatalog der Krankenkassen gefunden. Vor diesem Hintergrund übernehme beispielsweise die AOK Bayern auch schon jetzt die Kosten für ambulante Brachytherapien.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 8.275,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eine Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zur Überprüfung der Brachytherapie in einem anderen Streitverfahren und die Entscheidung des Sozialgerichts München vom 17. März...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge