rechtskräftig: nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Interstitielle Brachytherapie. neue Behandlungsmethode. Prostatakarzinom. Kostenerstattung. Antrag. Auslegung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. GRG-Fallpauschalenkatalog. Hinweis auf Behandlungsalternativen. Krankenhausbehandlung. Seed-Implantation. Aufklärungspflicht des Arztes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Krankenkasse hat grundsätzlich Versicherte auf die Möglichkeit einer stationären Behandlung hinzuweisen, wenn diese weitgehend mit der ambulanten Behandlung identisch ist und im Gegensatz zu dieser zu keiner Kostenbelastung führt.

2. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs. 3 SGB verdrängt in seinem Anwendungsbereich den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

 

Normenkette

SGB V § 13 Abs. 3, § 116b Abs. 3 Nr. 1, § 13 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Schleswig (Urteil vom 25.04.2005; Aktenzeichen S 8 KR 92/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 25. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für die Berufungsinstanz zu gewähren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine bei ihm durchgeführte ambulante Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation bei Prostatakrebs in Höhe von 8.275,00 EUR hat.

Der 1935 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Zu Beginn des Jahres 2004 wurde bei ihm ein lokal begrenztes Prostatakarzinom im Anfangsstadium (T1c, PSA 8,2ng/ml; Gleason 6) ohne Nachweis von Metastasen diagnostiziert. Für den Kläger beantragte der behandelnde Arzt Dr. T. bei der Beklagten mit Schreiben vom 28. März 2004 die Kostenübernahme für die Durchführung der permanenten Seed-Implantation der Prostata wegen Prostatakarzinoms. Gleichzeitig informierte Dr. T. die Beklagte umfassend unter „Ambulantes Brachytherapie-Zentrum Schleswig-Holstein, Rendsburg,” über herkömmliche Behandlungsmethoden bei dieser Erkrankung und deren Nebenwirkungen. Aufgrund der Komplikationsraten, insbesondere der radikalen Entfernung von Prostata und Samenblasen, lehne der Kläger eine solche Operation ab. Gleiches gelte für eine externe Bestrahlung. Als Alternative dazu habe sich in den USA die Implantation radioaktiver Jod-Seeds direkt in die Prostata etabliert. Da der Kläger die radikale Prostatatektomie ablehne und die Überlebensrate der streitigen Behandlung gegenüber externer Bestrahlung deutlich besser sei, sei die Monotherapie mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl bei dem Kläger. Die Kosten lägen im Rahmen der Kombinationstherapie bei 8.275,00 EUR.

Die Beklagte nahm eine Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 14. April 2004 vor, in dem sie auf eine Stellungnahme des Kompetenz Centrums Onkologie beim Medizinischen Dienst Nordrhein vom 23. Juli 2002 verwies. Die dort vorliegenden Daten zeigten, dass die Lebensqualität bei einer externen Bestrahlung eher besser sei. Mit Bescheid vom 29. April 2004 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab, da die beantragte Therapie keine Kassenleistung sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei schwerbehindert (Bescheid des Landesamtes für Jugend, Soziales und Versorgung, Saarland, vom 27. Februar 1997, GdB 100) und leide an den Folgen einer Reihe von Vorerkrankungen. Bei einer Operation wegen eines Aortenaneurysmas seien Nerven durchtrennt und wichtige Funktionen des Körpers massiv gestört worden. Seitdem habe er Missempfindungen in der Körperwahrnehmung mit starken Schmerzen, die chronisch geworden seien. Damit könne er sich keine Operation mehr zumuten. Er lebe mit der Metallverklammerung, die seinen Brustkorb zusammenhalte. Er habe keine andere Wahl als das am wenigsten belastende Verfahren, nämlich die hier streitige Behandlung. In dem Narkosevorgespräch im Kreiskrankenhaus R. habe die Anästhesistin sich eindeutig dahingehend geäußert, dass eine Prostataentfernung für ihn zu riskant sei. Der von ihm ebenfalls aufgesuchte dortige Strahlentherapeut Dr. G. habe erklärt, dass die externe Bestrahlung sowie auch after loading sehr belastend seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der hier streitigen Behandlung handele es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die keine Vertragsleistung sei. Bei der interstitiellen Brachytherapie ohne die Verwendung von Seed-Implantaten handele es sich hingegen um eine Vertragsleistung, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden könne (Ziffern 7041 und 7046 EBM). Zu der streitgegenständlichen Methode habe sich der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht geäußert. In dem Fall schließe das Sozialgesetzbuch die Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen aus.

Der Kläger hat am 9. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben und zur Begründung vorgetragen: Auch Kosten für noch nicht empfohlene Behandlungsmethoden seien ausnahmsweise zu üb...

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