Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Vertrauensschutz. grobe Fahrlässigkeit. Arbeitslosenhilfe. Einkommensanrechnung

 

Orientierungssatz

Zum grob fahrlässigen Nichterkennen einer nach Nichtanrechnung einer Witwenrente eingetretenen Überzahlung der Arbeitslosenhilfe, durch die sich die Leistungshöhe fast verdoppelt hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.07.2000; Aktenzeichen B 7 AL 4/00 B)

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Änderung von Leistungsbewilligungen und die Rückforderung eingetretener Überzahlungen.

Die ... 1959 in Polen geborene Klägerin steht seit 1986 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug der Beklagten. Sie hat zwei Kinder (geboren 1983 und 1987). Der Ehemann der Klägerin ist 1994 verstorben; seither bezieht sie Witwenrente von der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein (Zahlbetrag ab 1. Juli 1995 938,79 DM).

In einem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 14. Oktober 1994 gab die Klägerin u.a. an, dass ihre Steuerklasse seit dem 1. April 1994 von IV/2 in III/2 geändert worden sei; für das folgende Jahr sei ebenfalls die Steuerklasse III eingetragen.

Für die Zeit nach Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld beantragte die Klägerin am 26. September 1995 Anschluß-Arbeitslosenhilfe (Alhi). Dabei gab sie den Bezug der Witwenrente an. Die formularmäßige Frage, ob sich gegenüber ihren letzten Angaben die Steuerklasse geändert habe, verneinte die Klägerin.

Sowohl in dem Antrag vom 14. Oktober 1994 als auch in dem Antrag vom 26. September 1995 bestätigte die Klägerin durch ihre Unterschrift, das Merkblatt für Arbeitslose ("Ihre Rechte -- Ihre Pflichten") erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Mit Bescheid vom 25. Oktober 1995 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alhi ab dem 14. Oktober 1995. Dabei erfolgte -- was der Klägerin schriftlich erläutert wurde -- eine Anrechnung der Witwenrente. Die Beklagte legte der Alhi-Bemessung die Leistungsgruppe C (entsprechend Steuerklasse III) zugrunde. Ab dem 1. Januar 1996 betrug die wöchentliche Leistungshöhe -- ausgehend von einem Bemessungsentgelt von 870,00 DM -- 150,54 DM. Ab dem 1. Februar 1996 betrug der wöchentliche Leistungssatz 157,14 DM (Bemessungsentgelt: 890,00 DM).

In der Zeit vom 15. März 1996 bis Ende 1996 erzielte die Klägerin Nebenverdienst, den sie der Beklagten angab. Mit Bescheid vom 24. Juli 1996 verfügte die Beklagte die Anrechnung des Nebenverdienstes auf den Leistungsbezug. Ab dem 1. Juli 1996 betrug der Anrechnungsbetrag 2,31 DM wöchentlich. Der wöchentliche Leistungssatz betrug zunächst (1. Juli bis 9. Juli 1996) 147,54 DM bei einem Bemessungsentgelt von 860,00 DM. Bis zum 9. Juli 1996 lag der Leistungsgewährung weiterhin die Leistungsgruppe C zugrunde. Für die Zeit ab 10. Juli 1996 legte die Beklagte der Alhi-Gewährung bei weiterhin unverändertem Bemessungsentgelt einen wöchentlichen Leistungssatz von 295,86 DM zugrunde. Dabei erfolgte nunmehr eine Zuordnung zur Leistungsgruppe A (entsprechend Steuerklasse I/IV), ohne dass sich insoweit die tatsächlichen Verhältnisse bei der Klägerin verändert hatten.

Im Januar 1997 betrug der wöchentliche Leistungssatz 290,46 DM (Bemessungsentgelt: 860,00 DM). In diesem Monat wurde -- wie bisher -- Nebenverdienst mit 2,31 DM wöchentlich angerechnet. Dass die Klägerin in diesem Monat keiner Nebenbeschäftigung mehr nachging, erfuhr die Beklagte erst später.

Für die Zeit ab 10. Juli 1996 erfolgte -- offensichtlich aufgrund eines Versehens der Beklagten -- keine Anrechnung der Witwenrente mehr.

Im Februar 1997 beantragte die Klägerin sinngemäß die Nachzahlung des Differenzbetrages, der sich daraus ergab, dass die Beklagte für 1996 trotz unverändert eingetragener Steuerklasse II teilweise die Leistungsgruppe A zugrundegelegt hatte. In diesem Zusammenhang fiel der Beklagten auf, dass seit Juli 1996 keine Anrechnung der Witwenrente mehr erfolgt war.

Nach vorausgegangener Anhörung erließ die Beklagte drei Bescheide vom 5. März 1997, mit denen der Klägerin unter teilweiser Aufhebung der Bewilligungsentscheidungen Alhi für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Januar 1997 in folgender Höhe zuerkannt wurde:

Ab 1. Januar 1996 wöchentlich 105,54 DM

(Bemessungsentgelt 870,00 DM),

ab 1. Februar 1996 wöchentlich 110,94 DM

(Bemessungsentgelt 890,00 DM),

ab 1. Juli 1996 wöchentlich 100,86 DM

(Bemessungsentgelt 860,00 DM) und

ab 1. Januar 1997 wöchentlich 97,74 DM

(Bemessungsentgelt 860,00 DM.

Bei der Berechnung legte die Beklagte die Leistungsgruppe B (entsprechend Steuerklasse II) sowie den erhöhten Leistungssatz der jeweils geltenden Leistungstabelle zugrunde. Für den gesamten Leistungszeitraum wurde die Witwenrente mit einem Wochenbetrag von 216,64 DM auf den Alhi-Anspruch angerechnet. Daneben erfolgte für die Zeit vom 1. Juli 1996 bis 31. Dezember 1996 eine Anrechnung von Nebeneinkommen mit einem wöchentlichen Betrag von 2,31 DM. Die Beklagte errechnete für den Leistungszeitraum vom 1. Januar 1996 bis 31. Januar 1997 eine eingetretene Ü...

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