Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Behandlungsbedürftigkeit. Verpflichtung der Krankenkasse zum Aufzeigen konkreter Behandlungsalternativen. Kostenübernahme. Kostenerstattung. Krankenhaus. Berufungsstreitwert bei Berufung von Kläger und Beklagtem

 

Orientierungssatz

1. Eine ärztliche Krankenhausbehandlung erfordert nicht, dass ein Arzt-Patient-Kontakt an jedem Tag stattfinden muss. Ausreichend ist vielmehr, dass die tatsächlich durchgeführten Behandlungsmaßnahmen ärztlich koordiniert sind.

2. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht nicht nur dann, wenn der Einsatz der personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses unabdingbar für das Überleben eines Patienten sind, sondern auch dann, wenn ein besserer Gesundheitszustand durch sie erreicht werden kann.

3. Der Anspruch auf eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gemäß § 39 SGB 5 stellt ausschließlich darauf ab, ob objektiv die Mittel des Krankenhauses erforderlich sind. Das Erfordernis ist allein an den medizinischen Notwendigkeiten zu beurteilen. Andere Gründe für eine Unterbringung im Krankenhaus sind selbst dann nicht entscheidend, wenn sie auf eine Krankheit zurückzuführen sind (vgl BSG vom 24.1.1990 - 3 RK 7/89 = MesoB 310/97 = USK 9015).

4. Mit Urteil vom 13.5.2004 - B 3 KR 18/03 R = BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2 hat das BSG ausgeführt, dass eine Krankenkasse in einem förmlichen Verwaltungsverfahren gegenüber dem Versicherten über das Ende der Zahlungsverpflichtung entscheiden müsse. In diesem Verwaltungsverfahren müsse eine konkrete Behandlungsalternative für die Zeit nach der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit aufgezeigt werden. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat nicht (vgl LSG Schleswig vom 21.9.2004 - L 1 KR 115/03).

5. Die Regelungen des § 112 Abs 2 S 1 Nr 4 und 5 SGB 5 geben für einen weitergehenden Anspruch auf Leistungen oder Erstattungen wegen stationärer Krankenhausbehandlung nichts her. Es geht bei den konkret aufzuzeigenden Behandlungsalternativen nicht um die soziale Betreuung und Beratung der Versicherten im Krankenhaus (Nr 4). Die aufzuzeigende Behandlungsalternative stellt auch nicht den nahtlosen Übergang von der Krankenhausbehandlung zur Rehabilitation oder Pflege dar; Rehabilitation oder Pflege sind lediglich zwei spezielle Behandlungsbereiche, die einer Krankenhausbehandlung typischerweise nachfolgen, jedoch nicht notwendigerweise an eine Krankenhausbehandlung anschließen. Eine Rechtsgrundlage für einen weitergehenden Leistungs- oder Erstattungsanspruch stellen die Vorschriften daher nicht her.

6. An der bisherigen Rechtsauffassung, nach der es allein auf die materiellen Voraussetzungen und das Ausmaß der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ankommt, um einen Leistungsanspruch des Versicherten und einen Erstattungsanspruch des Krankenhauses zu begründen, hält der erkennende Senat fest. Denn abgesehen davon, dass eine Verpflichtung, weitergehende Behandlungsalternativen aufzuzeigen, noch keinen Erstattungsanspruch des Krankenhauses begründen kann, sieht der Senat eine derartige Verpflichtung auch grundsätzlich nicht.

 

Normenkette

SGBV § 109 Abs. 4 S. 3; SGB V § 112 Abs. 2 S. 1 Nrn. 4-5, § 2 Abs. 2, § 39 Abs. 1 S. 2, § 108; SGG § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 54 Abs. 5; ZPO § 5 Hs. 2

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.04.2008; Aktenzeichen B 3 KR 19/05 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Januar 2004 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der Krankenhausbehandlung vom 1. Februar bis 19. März 2002 zu zahlen und den Betrag gemäß vertraglicher Vereinbarung zu verzinsen.

Die weiter gehende Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 2/3 und die Klägerin zu 1/3.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 15.953,70 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Übernahme von Behandlungskosten in Höhe von 15.953,70 € für die Zeit vom 1. Februar bis 21. April 2002.

Die 1931 geborene I P ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Auf Verordnung der Internisten Dres. G und S wurde sie am 7. Januar 2002 wegen einer Alkoholkrankheit mit Wahrnehmungsstörungen in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Die Klägerin stellte am 14. Januar und 12. Februar 2002 Verlängerungsanträge für die Kostenübernahme, die sie mit ausgeprägten mnestischen Störungen, Hilfebedürftigkeit im Alltag und einem erforderlichen intensiven Hirnleistungstraining, Training der Alltagsfähigkeit und medikamentöser Behandlung zur Planung der weiteren ambulanten Behandlung begründete. Die Beklagte übernahm die Behandlungskosten bis zum 31. Januar 2002. Die Versicherte wurde am 21. April 2002 entlassen.

Die Beklagte holte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 19. Februar, 14. März und 21. Mai 2002 (Gutachter: S und Dr. H) ein. Die Gutachter führten aus, bei der Klägerin bes...

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