Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Vorausschau des behandelnden Krankenhausarztes. Aufzeigen ambulanter Behandlungsalternativen durch die Krankenkasse beim Streit über Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzungen für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung müssen objektiv gegeben sein. Ob dies der Fall ist, ist nicht im Wege einer nachträglichen Betrachtung (ex post) zu beantworten, sondern aus einer Vorausschau (ex ante); es ist damit auf eine Prognose des behandelnden Krankenhausarztes abzustellen, dem dabei ein Einschätzungsspielraum zukommt (vgl BSG vom 7.7.2005 - B 3 KR 40/04 R = GesR 2005, 558).

2. Will die Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme für eine stationäre Krankenhausbehandlung ablehnen, besteht also Streit über die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung zwischen dem Versicherten und den Krankenhausärzten einerseits sowie der Krankenkasse und dem MDK andererseits, hat die Krankenkasse als Ausfluss ihrer Sachleistungs- und Beratungspflicht den Versicherten darüber zu unterrichten, welche konkrete ambulante Behandlungsalternative zur Verfügung steht (vgl BSG vom 13.5.2004 - B 3 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 21. September 2004 wird zurückgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten auch des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 18.161,03 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten ein Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten für eine Krankenhausbehandlung in der Zeit vom 19. August 2001 bis 21. Juni 2002.

Die 1951 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte I. R. (im Folgenden: Versicherte) befand sich in der streitgegenständlichen Zeit in stationärer Behandlung bei der Klägerin wegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Die Einweisung erfolgte durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie U. Z. mit den Diagnosen depressive Episode F 32.9, Somatisierungsstörung, chronisch unbeeinflussbarer Schmerz. Wegen dieser Erkrankungen war bereits vom 11. Februar bis 7. April 2000 eine stationäre rehabilitative Behandlung in der D.-Klinik Bad B. erfolgt. Eine weitere stationäre Aufnahme in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Bad Ba. hatte vom 27. Februar bis 25. April 2001 wegen chronischer Schmerzstörung mit psychischen und medizinischen Faktoren sowie einer mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung stattgefunden.

Die Beklagte übernahm zunächst die Krankenhausbehandlungskosten jeweils nach kurzen Empfehlungen durch den MDK Schleswig-Holstein. Die letzte Befürwortung erfolgte durch einen kurzen Vermerk von Dr. M. bis 13. März 2002.

Am 30. April 2002 ging bei der Beklagten der Verlängerungsantrag der Klägerin ein. In seinem Gutachten über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung kam Dr. Bb. am 2. Mai 2002 zu dem Ergebnis, dass eine weitere Kostenübernahme nicht empfohlen werden könne. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Patientin nicht im ambulanten Rahmen oder in einer Einrichtung außerhalb der vollstationären Krankenhausversorgung weiter behandelt werden könne. Die Begutachtung erfolgte ohne Kenntnis der über die Versicherte geführten Krankenhausakten, ohne Begehung des Krankenhauses und ohne Untersuchung der Versicherten. Daraufhin lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 6. Mai 2002 eine weitere Kostenübernahme ab. Die Klägerin bemängelte, dass sich Dr. Bb. trotz fehlender Lesbarkeit der Verlängerungsbegründung nicht mit dem Krankenhaus in Verbindung gesetzt habe. Es werde eine Begehung des Hauses vorgeschlagen. Dr. Bb. gab daraufhin folgende Stellungnahme ab: “Beweislast liegt bei der Klinik, nicht beim MDK. Nicht vorgelegte oder nicht zu entziffernde Symptome/Befunde/Therapien können bei der Begutachtung nicht berücksichtigt werden, da ansonsten der MDK durch Vorlage nicht zu entziffernder Unterlagen in seiner Funktion auszuhebeln wäre." Daraufhin blieb die Beklagte bei ihrer ablehnenden Haltung (Schreiben vom 3. Juli 2002).

Die Klägerin hat am 4. November 2002 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Versicherte leide unter einer Persönlichkeitsstörung mit histrionischen, anankastischen, narzisstischen und asthenischen Anteilen. Darüber hinaus bestehe eine latente Suizidalität. Durch ihre bisherige Konfliktbewältigungsstrategie habe sich die Versicherte in eine Situation gebracht, die sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld zu erheblichen Problemen geführt habe, deswegen auch die latente Suizidalität. Aus diesem Grund sei eine tagesklinische Behandlung nicht ausreichend gewesen. Andernfalls wären Kriseninterventionen - vor allem abends - nicht in dem erforderlichen Maße gewährleistet gewesen. Der Krankenhausarzt habe die Krankenhausbehandlung für erforderlich gehalten. Aus diesem Grund sei die Beklagte zur Zahlung verpfli...

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