Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Arzneikostenregress. Anwendung der Einzelfallprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Prüfmethode der Einzelfallprüfung kann auch gewählt werden, um die Wirtschaftlichkeit des Umfangs der Verordnung in einzelnen Behandlungsfällen zu überprüfen.

2. Es wird offen gelassen, ob an die systematische Verordnung von Medikamenten in einem die Dosierungsempfehlungen weit übersteigenden Umfang die gleichen Anforderungen zu stellen sind, wie an eine Verordnung außerhalb des Indikationsgebietes, für das die Zulassung erfolgt ist. Die Verordnung von Medikamenten in einem die Dosierungsempfehlungen bei weitem übersteigenden Umfang ist jedenfalls unwirtschaftlich, wenn dieser Verordnungsweise ein von dem verordnenden Arzt im Wesentlichen selbst entwickeltes, wissenschaftlichen Standards nicht entsprechendes Therapiekonzept zu Grunde liegt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.11.2010; Aktenzeichen B 6 KA 35/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 11. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 9/10 der Kosten des gesamten Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Arzneimitteln im Jahr 2003.

Der Kläger war als Internist in B zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte in Schleswig-Holstein vom 29. Oktober 2003 wurde ihm die Zulassung entzogen. Zur Begründung bezog sich der Zulassungsausschuss insbesondere auf ein Urteil des Amtsgerichts Meldorf vom 27. März 2001 (21 Ds 315 Js 440), mit dem der Kläger wegen fahrlässiger Tötung (grob fehlerhafte Behandlung des Patienten S) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, auf ein Urteil des Berufsgerichts für Heilberufe vom 26. Februar 2003 (BG 29/02 - Verurteilung des Klägers zu einer Geldbuße von 2.000,00 EUR u. a. wegen des Vorwurfs, dass er ausgehend von einer gestellten Fehldiagnose unbeirrt und uneinsichtig an seiner Behandlungsmethode festgehalten habe) sowie ein zum Zeitpunkt der Zulassungsentziehung noch nicht abgeschlossenes Verfahren um die Entziehung der Approbation. Den gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Berufungsausschuss mit Bescheid vom 24. Februar 2004 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung an. Über die dagegen beim Sozialgericht Kiel (S 15 KA 139/04) erhobene Klage wurde nicht entschieden, nachdem im Einverständnis mit dem Kläger das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war. Mit Bescheid vom 20. August 2003 widerrief das Landesamtes für Gesundheit und Arbeitssicherheit des Landes Schleswig-Holstein die Approbation des Klägers und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung bezog sich das Landesamt auf den Sachverhalt, der der strafrechtlichen Verurteilung zu Grund lag und führte ergänzend aus, dass die vom Kläger praktizierte Behandlungsmethode zur Therapie der Herzinsuffizienz mit der Applikation hoher Dosen oraler Nitrate, meist zusätzlich zu einer Behandlung mit sog. Nachlastsenkern wie ACE-Hemmern in keiner Weise wissenschaftlich vertretbar sei und außerhalb des gesicherten ärztlichen therapeutischen Spielraums liege. Dies werde durch eine gutachtliche Stellungnahme des Prof. Dr. Sa vom 30. Juni 2003 bestätigt. Eine Häufung von offenkundig fehlerhaften Behandlungen zeige, dass es sich bei dem Fall des verstorbenen Patienten S nicht um einen tragischen Einzelfall gehandelt habe. Gegen die Anordnung des Sofortvollzugs gerichtete Anträge des Klägers blieben ohne Erfolg (Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2003 - 2 B 51/03, Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2004 - 3 MB 25/03). Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. März 2005 - 2 A 196/04; Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. September 2005 und vom 30. November 2005 - 3 LA 47/05). Das Begehren des Klägers, das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen, ist Gegenstand eines beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 A 62/08 anhängigen Verfahrens.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 beantragte die zu 1. beigeladene Krankenkasse die Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 12.3 der in Schleswig-Holstein geltenden Prüfvereinbarung vom 15. März 1995 und machte zur Begründung geltend, dass Verordnungen des Klägers aus dem ersten Quartal 2003 gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie gegen die Arzneimittelrichtlinien verstoßen hätten. U. a. sei die Verordnung hoher Dose...

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