Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit Cannabis. Umversorgung einer genehmigten Therapie

 

Leitsatz (amtlich)

Die Umversorgung einer genehmigten Therapie mit Dronabinol zu einer Behandlung mit Verdampfen von Cannabisblüten erfordert eine erneute Genehmigung durch die Krankenkasse.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 9. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit Dronabinol-Tropfen und medizinischen Cannabisblüten durch die Antragsgegnerin.

Der 1980 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragsteller leidet unter anderem an einer depressiven Störung, einer Migräne, einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), einer ausgeprägten Adipositas (zeitweise BMI von 51) und Schlafstörungen. Aufgrund dieser Erkrankungen ist er seit 12. Oktober 2015 bei dem Psychologen B… in Behandlung und befand sich vom 7. Juni bis 28. November 2017 in Behandlung der Psychiatrischen Institutsambulanz R…. Den zunächst von seinem Hausarzt S… beantragten Behandlungsversuch mit Cannabis in Form von öligen Dronabinol-Tropfen lehnte die Antragsgegnerin nach Einholung eines Gutachtens des MDK mit Bescheid vom 7. März 2018 ab. Auf den Widerspruch des Antragstellers hin zog die Antragsgegnerin ärztliche Berichte bei und holte ein weiteres Gutachten des MDK ein. Darin kam dieser unter dem 15. Mai 2018 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsgewähr „eingeschränkt erfüllt“ seien und im vorliegenden Einzelfall die Anwendung von Dronabinol-Tropfen im Rahmen eines sechs- bis neunmonatigen Therapieversuches nachvollziehbar seien. Weiter heißt es: „Es bleibt allerdings darauf hinzuweisen, dass auch bei der Anwendung von Dronabinol Tropfen ein Abhängigkeitspotential besteht, so dass zur Vermeidung einer Langzeittherapie mit Cannabinoiden therapiebegleitend die Einleitung anderer Maßnahmen diskutiert werden sollte (z.B. Anbindung an eine Adipositasschwerpunktpraxis, schlafmedizinische Abklärung und ggfs. Therapieeinleitung).“ Daraufhin gab die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15. Mai 2018 dem Widerspruch insoweit statt, als sie die Kosten für das beantragte Medizinal-Cannabis (hier: Dronabinol-Tropfen) für einen neunmonatigen Therapieversuch vom 4. Januar bis 4. Oktober 2018 übernahm. Ergänzend wies die Antragsgegnerin in dem Bescheid darauf hin, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele, die keinen Rechtsanspruch auf zukünftige Anträge - gleich oder ähnlich gelagert - habe.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2018 beantragte der Antragsteller eine Änderung der Darreichungsform des medizinischen Cannabis. Nachdem die Behandlung seiner Beschwerden mit medizinischem Cannabis erfolgreich sei, wünsche er das Verdampfen von Blüten mittels eines Vaporisators auszuprobieren. Hierzu legte er einen Bericht seines Hausarztes anbei, wonach er in wenigen Wochen drei Kilogramm an Gewicht verloren habe. Problematisch sei die Einnahme der Dronabinol-Tropfen am Tage, da sich hier eine ausgeprägte Müdigkeit zeige, aufgrund derer er tagsüber nicht leistungsfähig sei. Bei der Applikationsform durch Verdampfung trete die Wirkung deutlich schneller ein und halte nicht so lange an. In seinem Gutachten vom 1. August 2018 kam der MDK zu der Einschätzung, dass eine Veränderung der Applikationsform nicht befürwortet werde. Ein kontinuierlicher Wirkspiegel erscheine aus medizinischer Sicht sinnvoll und aus pharmakologischer Sicht mit Dronabinol besser erreichbar. Dieser Wirkstoff sei aufgrund des definierten THC-Anteils den Cannabisblüten vorzuziehen. Außerdem sei die Anwendung von Dronabinol wirtschaftlicher als die Anwendung von Cannabisblüten. Daraufhin lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. August 2018 den Antrag unter Hinweis auf das eingeholte Gutachten des MDK ab. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch mit der Begründung, dass es einer Genehmigung hinsichtlich des Wechsels der Darreichungsform überhaupt nicht bedürfe und eine zeitliche Befristung der Genehmigung nicht zulässig sei, da in § 31 SGB V nicht vorgesehen. Ergänzend führte der Hausarzt S… aus, neben THC enthalte Cannabis noch viele andere Wirkstoffe, die teilweise noch gar nicht bekannte spezielle Wirkungen entfalteten. Häufig müsse man eine Weile mit verschiedenen Sorten experimentieren, um schließlich die individuell beste Sorte für sich zu finden. Manchmal sei es auch eine Kombination aus einer bestimmten Sorte, die tagsüber eingenommen werde und einer anderen, die zur Nacht verwendet werde. Aus diesem Grunde bitte er um Genehmigung der Umversorgung, die er im Einzelnen beschreibt. In einer weiteren Stellungnahme vom 12. Dezember 2018 kam der MDK zu der Einschätzung, dass die Umstellung weiterhin nicht zu befürworten...

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