rechtskräftig: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit bei Entscheidung über Befangenheitsgesuch. Identität der Befangenheitsgründe

 

Leitsatz (amtlich)

Besorgnis der Befangenheit liegt hinsichtlich der Richter vor, die über ein Befangenheitsgesuch zu entscheiden haben, wenn die geltend gemachten Befangenheitsgründe hinsichtlich dieser Richter dieselben sind, über die diese auch bei dem Befangenheitsgesuch zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch beinhaltet in diesem Fall zwangsläufig gleichzeitig eine Bewertung der eigenen Befangenheit und stellt insofern mittelbar eine (unzulässige) Entscheidung in eigener Sache dar.

Diese Vermischung von eigener Betroffenheit und Interessenlage mit der zu treffenden Sachentscheidung begründet aus Sicht eines Dritten nachvollziehbar Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter.

 

Normenkette

SGG § 60 Abs. 1; ZPO § 42; SGG § 171 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Schleswig (Aktenzeichen S 17 SO 232/05)

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch gegen die A. und die B. und C. wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

 

Tatbestand

I.

Mit Schriftsatz vom 24. August 2006 hat der Kläger die A. und die B. und C. in dem Verfahren über die Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit des Richters X. in dem Klageverfahren S 17 SO 232/05 – Sozialgericht Schleswig – wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

In diesem Klageverfahren begehrt der 1937 geborene und an Diabetes mellitus Typ 2 leidende Kläger einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII. Er bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter gemäß der §§ 41 ff. SGB XII. Seinen Antrag auf Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung lehnte die Beklagte ab, weil bei Diabetes ein solcher Bedarf nicht bestehe. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens beantragt.

Das Sozialgericht Schleswig (Richter X.) hat seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 30 Abs. 5 SGB XII. Eine kostenaufwändige Ernährung sei bei Diabetes nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht veranlasst. Insofern komme es nicht mehr auf die „Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe” (im Folgenden: Empfehlungen) an, die der „Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.” (im Folgenden: Deutscher Verein) im Jahr 1997 erarbeitet habe. Die nach dem Kenntnisstand des Gerichts aktuellste fachwissenschaftliche Stellungnahme, die die nationalen und internationalen Forschungsergebnisse zusammenfasse, sei die des Fachausschusses Ernährung der „Deutschen Diabetes Gesellschaft” aus dem Dezember 2004. Danach sei eine finanzielle Mehrbelastung von Diabetikern durch zusätzliche Kosten bei der Ernährung eindeutig zu verneinen. Erforderlich sei bei Diabetikern nur eine kohlenhydratreduzierte Ernährung. Diese sei nicht aufwändiger als eine durchschnittliche Ernährung.

Mit seiner Beschwerde hiergegen hat der Kläger vorgetragen, die Stellungnahme der „Deutschen Diabetes Gesellschaft” sei keine fundierte wissenschaftliche Stellungnahme, die geeignet wäre, Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung zu sein. In der Presse sei zudem wiederholt der Vorwurf laut geworden, die „Deutsche Diabetes Gesellschaft” stehe der Pharmaindustrie nahe und werde durch diese größtenteils finanziert. Es überrasche deshalb nicht, dass die „Deutsche Diabetes Gesellschaft” eine allein medikamentöse Behandlung der Diabeteserkrankung für ausreichend halte und eine ergänzende Therapie durch Diätprodukte und hochwertige Nahrungsmittel ablehne. Die Empfehlungen des „Deutschen Vereins” seien demgegenüber eine wissenschaftlich fundierte Studie.

Das Landessozialgericht (A., B., C.) hat die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts zurückgewiesen und den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten als Rechtsanwalt abgelehnt. Die Beschwerde sei nicht begründet. Die Stellungnahme der „Deutschen Diabetes Gesellschaft” zum Thema „Mehraufwand für Diabeteskost” stimme mit den neueren gutachtlichen Aussagen zur Erforderlichkeit einer Krankenkostzulage bei Diabetes mellitus überein. Auch nach dem „Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BCEM) e.V. und anderen” sowie dem „Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulagen) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG (jetzt § 30 Abs. 5 SGB XII)” des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 sei bei Diabetes mellitus eine diabetesorientierte kalorienreduzierte, fettarme und ballaststoffreiche Ernährung gegebenenfalls unter Nutzung der auch in Discountketten angebotenen, speziell für Diabetiker geeigneten Nahrungsmitteln angezeigt, ohne dass ein finanzi...

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