Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit von einstweiligem Rechtsschutz vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, ausnahmsweise auch vor Antragsstellung bei der Verwaltung. Geltung des § 99 SGG. Krankenversicherung. hauswirtschaftliche Versorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einstweiliger Rechtsschutz kann vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, ausnahmsweise auch vor Antragstellung bei der Verwaltung, zulässig sein.

2. § 99 SGG gilt auch in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz.

 

Orientierungssatz

Zur Gewährung von Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 4. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten auch für die Beschwerdeinstanz zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung beim Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1956 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragsteller leidet u. a. an einem chronischen Plantarulcus der rechten Ferse mit Zustand nach operativer Therapie (S…-Klinik 2013). Er erhält aufgrund dieser Erkrankung von der Antragsgegnerin schon seit Längerem auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von Verbandwechseln und hauswirtschaftlicher Versorgung.

Die den Antragsteller behandelnde Ärztin Dr. G... verordnete am 22. Juni 2017 häusliche Krankenpflege in Form von Verbandwechsel dreimal wöchentlich und hauswirtschaftliche Versorgung (zweimal zwei Stunden pro Woche) für die Zeit von Juli bis Dezember 2017. Mit Bescheid vom 27. Juli 2017 bewilligte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen bis zum 30. September 2017 und teilte dem Antragsteller mit, dass sie hinsichtlich der weiteren Kostenübernahme zeitnah eine aktuelle Wunddokumentation zur Vorlage beim MDK anfordern werde. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2017 verlängerte die Antragsgegnerin die beantragten Leistungen bis zum 22. Oktober 2017, reduzierte vom 23. Oktober bis 31. Dezember 2017 den Verbandwechsel auf einmal täglich zweimal wöchentlich und lehnte weitere Leistungen unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK ab. Aktuelle Befunde lägen ihr außer der Begründung der hauswirtschaftlichen Versorgung vom 8. Februar 2017 nicht vor. Daher könnten Kosten für diese über den 22. Oktober 2017 hinaus nicht übernommen werden.

Der Antragsteller hat am 23. Oktober 2017 beim Sozialgericht Lübeck die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Kostenübernahme der hauswirtschaftlichen Versorgung entsprechend der vertragsärztlichen Versorgung vom 22. Juni 2017 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt und zur Begründung vorgetragen: Er benötige diese Leistungen auch weiterhin, da anderenfalls eine Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Situation eintrete. Er könne nicht nachvollziehen, dass eine aktuelle Dokumentation seiner Erkrankung der Antragsgegnerin nicht vorliege. So liege der Antragsgegnerin doch die Verordnung seiner Hausärztin vom 22. Juni 2017, die diese in Abstimmung mit dem UKSH vorgenommen habe, vor. Sein Gesundheitszustand sei unverändert und er müsse sich auf Gehhilfen, die ihm von seiner Hausärztin verschrieben worden seien, fortbewegen. Er selbst könne die Kosten der hauswirtschaftlichen Versorgung nicht aufbringen, da er Leistungen nach dem SGB II beziehe und über Vermögen nicht verfüge.

Die Antragsgegnerin hat erwidert, es bestünde schon kein Anordnungsgrund, da der Antragsteller bisher ein Vorverfahren nicht durchgeführt habe. Sie, die Antragsgegnerin, habe versucht vom Pflegedienst eine aktuelle Wunddokumentation zu erhalten. Dieser habe jedoch auf die Anforderung nicht reagiert. Es sei im Übrigen nicht nachvollziehbar, warum es ohne die hauswirtschaftliche Versorgung zu einem Verlust des Fußes kommen solle. Es sei doch eine Besserung eingetreten.

Der Antragsteller hat mehrfach eine Entscheidung beim Sozialgericht angemahnt und ergänzend vorgetragen, der Pflegedienst habe sehr wohl eine aktuelle Wunddokumentation der Antragsgegnerin zugeschickt. Einen Widerspruch habe er gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2017 bereits am 30. Oktober 2017 erhoben. Sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei begründet, weil eine schnelle Leistungserbringung notwendig sei. So habe sich die Wunde an seinem Fuß zwischenzeitlich vergrößert, was durch die aktuellen Dokumentationen auch des UKSH verdeutlicht werde. Er erhalte seit ca. vier Jahren diese Leistung und es sei nicht einzusehen, warum die Antragsgegnerin diese, zudem auch noch so kurzfristig, nunmehr einstelle. Der Antragsteller legt eine weitere Verordnung seiner Hausärztin vom 12. Dezember 2017 über die hauswirtschaftliche Versorgung für die Zeit von Januar bis März 2018 vor. Ergänzend weist darin seine Ärztin darauf hin, dass seit Ende der hauswirtschaftlichen Versorgung nur die unzureichende Ruhigstellung der Wunde zu einer Vergrößerung geführt habe. Dies ergebe sich aus den Wundbe...

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