Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Orientierungssatz

1. Ein Richter kann nach § 60 Abs. 1 SGG wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Maßgeblich ist allein, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln.

2. Zu den Aufgaben des Vorsitzenden gehört es nach § 106 Abs. 1 SGG, Hinweise auch zu den fehlenden Erfolgsaussichten einer Rechtsverfolgung zu geben. Der Hinweis auf mögliche strafrechtliche Aspekte des Verhaltens des Klägers ist nicht ausreichend für die Besorgnis der Befangenheit, wenn es dafür konkreten Anlass gibt.

 

Tenor

Das Gesuch der Klägerin, Richterin N... wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Mitwirkung im Verfahren S 21 AS 403/11 auszuschließen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage beim Sozialgericht Lübeck S 21 AS 403/11 gegen den Sanktionsbescheid des Beklagten vom 18. Februar 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2011.

Vor Erlass des Sanktionsbescheids hatte der Beklagte der Klägerin am 11. Oktober 2010 einen Vermittlungsvorschlag betreffend eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Sinne des § 16d Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), als Mitarbeiterin im Antiquariat unterbreitet. Dieses Angebot hat sie nicht angenommen.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass sie dieses Angebot aus verschiedenen Gründen nicht angenommen habe bzw. nicht habe annehmen können und dürfen. U. a. trägt sie sinngemäß vor, dass die Teilnahme an der Maßnahme ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht habe zugemutet werden können und der Vermittlungsvorschlag deshalb rechtswidrig gewesen sei. Aus dem vom Rentenversicherungsträger jüngst erstellten ärztlichen Gutachten ergebe sich, dass sie bestimmte Tätigkeiten, darunter solche an einem EDV-Arbeitsplatz, nicht ausführen dürfe. Das Gutachten schließe genau jene Tätigkeiten medizinisch aus, die der Beklagte für sie bei Beschäftigung im Antiquariat vorgesehen habe.

Der von der Klägerin beim Sozialgericht Lübeck zum Aktenzeichen S 27 AS 202/11 ER gestellte Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid des Beklagten vom 18. Februar 2011 anzuordnen, war mit Beschluss vom 17. März 2011 abgelehnt worden.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 20. Oktober 2011 hat die für das Hauptsacheverfahren S 21 AS 403/11 zuständige Richterin N... die Klägerin aufgefordert, bis zum 11. November 2011 eine vollständige Kopie des in der Klageschrift angesprochenen rentenmedizinischen Gutachtens, wonach EDV-Arbeiten nicht ausgeführt werden dürften, zu übersenden. Zeitgleich hat die Richterin die Verwaltungsakten die Klägerin betreffend bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angefordert und umgehend die Auskunft erhalten, dass die Klägerin zum Aktenzeichen S 14 R 399/11 beim Sozialgericht Lübeck ein Klageverfahren führe. Die entsprechenden Gerichtsakten hat die Richterin zum hiesigen Verfahren beigezogen. Anschließend hat Richterin N... am 31. Oktober 2011 den Hinweis erteilt, dass die Klage nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg habe. Zur Begründung hat sie zunächst auf den im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss S 27 AS 603/11 ER - gemeint war wohl S 27 AS 202/11 ER - vom 17. März 2011 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, dass das bisherige Vorbringen im Klageverfahren, insbesondere der Vortrag, sie - die Klägerin - hätte aus gesundheitlichen Gründen die angebotene Arbeitsgelegenheit nicht wahrnehmen können, zu keiner anderen Einschätzung führe. Ihr - der Klägerin - Vorbringen, das rentenmedizinische Gutachten habe festgestellt, dass sie Tätigkeiten an einem EDV-Arbeitsplatz nicht ausführen dürfe, entspreche nicht der Wahrheit. Insoweit werde darauf hingewiesen, dass ihr - der Klägerin - Vorgehen als strafrechtlich relevanter versuchter Prozessbetrug zu werten sein dürfe. Des Weiteren ist die Klägerin um Stellungnahme gebeten worden, ob sie die Klage angesichts der fehlenden Erfolgsaussichten zurücknehme. Außerdem ist sie zur Möglichkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden. Insoweit ist Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt worden. Das Schreiben des Gerichts ist der Klägerin am 1. November 2011 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 8. November 2011 beantragt die Klägerin, Frau Richterin N... wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Richterin habe entgegen ihrem Hinweis gemäß Verfügung vom 20. Oktober 2011, mit der ihr - der Klägerin - eine Frist zur Stellungnahme bis zum 11. November 2011 eingeräumt worden sei, bereits vor Ablauf dieser Frist am 31. Oktober 2011 einen richterlichen Hinweis erteilt, mit dem sie - die Klägerin - ohne rechtlich gehört worden zu sein, der Lüge bezichtigt werde. Außerdem drohe die Richterin ihr konk...

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