1 Leitsatz

Eine Aufklärungspflicht kann sich für den Verkäufer eines Hausgrundstücks bei Vorliegen besonderer Umstände auch aus dem Verhalten eines Nachbarn ergeben, sofern dieses geeignet ist, den Nutzungswert des verkauften Grundstücks erheblich zu beeinträchtigen und deshalb auf den Kaufentschluss des Käufers bzw. Kaufinteressenten Einfluss zu nehmen.

2 Normenkette

§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB

3 Das Problem

Käufer K macht gegen Verkäufer B einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht beim Kauf eines Hausgrundstücks geltend. B habe mit den unmittelbar angrenzenden Grundstücksnachbarn, den Eheleuten E, Auseinandersetzungen gehabt. Im Februar 2015 sei es aufgrund einer Strafanzeige des B gegen Frau E wegen unerlaubter Anfertigung von Filmaufnahmen zu einem Ermittlungsverfahren gekommen. Ein am 10.3.2015 aufgrund einer Strafanzeige des B wegen Körperverletzung gegen Frau E eingeleitetes Ermittlungsverfahren habe allerdings mit einem Freispruch geendet. Nach seinem Einzug im Jahr 2016 sei es zwischen ihm und den Eheleuten E dann auch zu Streitigkeiten von erheblicher Intensität gekommen. Das LG weist die Klage ab. Obwohl die Situation auch nach der eigenen Darstellung des B für ihn und seine Ehefrau belastend gewesen und neben anderen Gründen (Krankheit, Alter, Grundstücksgröße) mitursächlich für die Wiederaufnahme der bereits Jahre zuvor eingeleiteten Verkaufsbemühungen gewesen sei, habe es für B bei Vertragsabschluss keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass sich das von ihm selbst beanstandete Verhalten der Eheleute E auch gegenüber K fortsetzen werde. Hiergegen richtet sich die Berufung.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Für den Verkäufer eines Hausgrundstücks könne sich zwar bei Vorliegen besonderer Umstände die Verpflichtung ergeben, über das Verhalten des Nachbarn zu berichten. So liege es, wenn dieses geeignet sei, den Nutzungswert des verkauften Grundstücks erheblich zu beeinträchtigen und deshalb auf den Kaufentschluss des Käufers bzw. Kaufinteressenten Einfluss zu nehmen. Ein (auch ungefragt) aufklärungspflichtiges "schikanöses Nachbarverhalten" sei etwa bei einer über mehrere Jahre andauernden absichtlichen nächtlichen Ruhestörung durch den Nachbarn in Betracht zu ziehen (BGH, Urteil v. 22.2.1991, V ZR 299/89), ebenso bei massiven verbalen Bedrohungen und Beleidigungen unter Androhung tätlicher Gewalt sowie Sachbeschädigungen, also bei schikanösem Verhalten von Nachbarn in erheblichem Ausmaß (OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 20.10.2004, 4 U 84/01). Nach diesem Maßstab habe aber keine Aufklärungspflicht bestanden. Denn der Senat sei unter Zugrundelegung der Zeugenvernehmungen sowie der persönlichen Anhörung der Parteien und nach dem Inhalt der beigezogenen Akten davon überzeugt, dass die zwischen B und den Nachbarn aufgetretenen Differenzen das erforderliche Ausmaß nicht erreicht hatten.

Hinweis

Die Entscheidung gilt auch für den Verkauf eines Wohnungseigentums. Auch dort besteht bei sehr schwierigen Nachbarn eine Aufklärungspflicht. Und auch dort ist eine Aufklärungspflicht zu verneinen, wenn die Beeinträchtigung durch die Nachbarn die Grenze der Schikane nicht übersteigt. So muss der Verkäufer eines Wohnungseigentums den Käufer nicht über schwierige Nachbarn aufklären, die auf Lärm mit Geschrei, Klopfen oder Rufen der Polizei sowie auf spielende Kinder vor dem Haus mit Geschrei reagierten und die Tochter der Verkäufer als "hässlich" beschimpften (OLG München, Beschluss v. 26.3.2012, 18 U 3956/11).

5 Entscheidung

OLG Koblenz, Beschluss v. 8.2.2021, 12 U 695/19

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