Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer verhält sich widersprüchlich und regelmäßig treuwidrig, wenn er unter Verweisung auf eine Schiedsvereinbarung oder Schiedsverfügung ein Schiedsgericht anruft und nach Durchführung des Verfahrens die Aufhebung des sein Begehren als unbegründet abweisenden Schiedsspruchs mit der Begründung betreibt, die Schiedsabrede sei nicht wirksam oder der Streitgegenstand sei objektiv nicht schiedsfähig.

 

Normenkette

WEG § 43

 

Das Problem

  1. In der Gemeinschaftsordnung heißt es u.a. wie folgt:

    Schiedsklausel/Schiedsvereinbarung

    I. Schiedsklausel

    Streitigkeiten in Wohnungseigentumssachen im Sinne des § 43 Nr. 1, Nr. 2 und N.4 WEG werden durch ein Schiedsgericht nach dem Statut des Deutschen Ständigen Schiedsgerichts für Wohnungseigentumssachen in Leipzig endgültig entschieden.

    II. Aufhebung und Änderung der Schiedsklausel

    Die Aufhebung oder Abänderung der Schiedsklausel kann nach Ablauf von 5 Jahren seit ihrer Vereinbarung durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit von 3/4 der stimmberechtigten Sondereigentümer.

    III. Schiedsvereinbarung mit dem Verwalter

    Im Hinblick auf I. dieser Regelung sind die Sondereigentümer berechtigt, als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung mit Stimmenmehrheit den Abschluss einer Schiedsvereinbarung mit dem Verwalter über Streitigkeiten in Wohnungseigentumssachen, soweit der Verwalter betroffen ist, zu beschließen.

  2. Im Juli 2015 genehmigen die Wohnungseigentümer zum Tagesordnungspunkt (TOP) 2 die Abrechnung 2014. Gegen den Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer A mit einer Schiedsklage an das Deutsche Ständige Schiedsgerichts für Wohnungseigentumssachen insoweit, als mit den Einzelabrechnungen die Verteilung von Reparaturkosten auf alle Eigentümer nach dem Verhältnis der Wohnflächen genehmigt worden waren. A meint, die Behandlung eines Teilbetrags von 469,97 EUR (253,15 EUR für eine Sicherung und 216,82 EUR für Absperrventile) als Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums stehe im Widerspruch zur Gemeinschaftsordnung. Nach deren Bestimmungen sei Sondereigentum von den Reparaturen betroffen gewesen und die Kostenlast dem jeweiligen Sondereigentümer allein zugewiesen. Der auf sie entfallende Anteil an den gesamten Reparaturkosten sei in der sie betreffenden Einzelabrechnung daher um einen Betrag von 4,83 EUR zu hoch ausgewiesen.
  3. Das Schiedsgericht weist die Schiedsklage zurück. A hält dieses Urteil für falsch und begehrt beim Oberlandesgericht, dieses aufzuheben. A rügt die Verletzung von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a (2. Alternative) ZPO und § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a ZPO. Die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Schiedsklausel sei nicht wirksam, das Schiedsgericht daher zur Entscheidung nicht zuständig gewesen. Anfechtungsklagen seien nach deutschem Recht nicht schiedsfähig. Das Schiedsverfahren biete zudem keinen Rechtsschutz, der dem vor den staatlichen Gerichten gleichwertig wäre. Die Schiedsabrede sei außerdem formunwirksam, denn die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung sowie die hierauf Bezug nehmende Eintragung im Grundbuch ließen nur das Erfordernis einer gesonderten Urkunde über die Schiedsvereinbarung, nicht aber das der Unterschrift entfallen. Als überraschende und missbräuchliche Allgemeine Geschäftsbedingung sei die Schiedsklausel darüber hinaus auch nach materiellem Recht ungültig. A habe sich ihr weder freiwillig noch bewusst unterworfen.
  4. Der Aufhebungsantrag hat keinen Erfolg.
 

Die Entscheidung

Statthaftigkeit und Zulässigkeit

  1. Der Antrag sei statthaft, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung liege mit dem vom Einzelschiedsrichter im Original unterschriebenen und jedenfalls A übermittelten Spruch ein den unverzichtbaren Formvorgaben des § 1054 genügender Schiedsspruch vor. Der Aufhebungsantrag sei beim zuständigen Oberlandesgericht München gestellt worden, denn er betreffe einen am Schiedsort München erlassenen Schiedsspruch. Der Antrag sei auch fristgerecht erhoben worden.
  2. Bedenken bestünden jedoch im Hinblick auf das für die Zulässigkeit des Aufhebungsantrags zu fordernde Rechtsschutzbedürfnis. Eine ihr günstige Entscheidung in der den Gegenstand des Schiedsverfahrens bildenden Hauptsache könnte A selbst dann nicht erlangen, wenn der Schiedsspruch wegen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aufgehoben werden würde. Weil die einmonatige Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 WEG abgelaufen sei, verbliebe es auch im Fall einer Aufhebungsentscheidung bei der Bestandskraft des angefochtenen Beschlusses. Die Anrufung eines unzuständigen Schiedsgerichts stehe nämlich einer Klageerhebung beim unzuständigen Gericht nicht gleich. Eine Verweisung des Rechtsstreits vom einen zum anderen Rechtsprechungsorgan scheide schon grundsätzlich und im Fall außerdem mit Blick auf die Verfahrenslage aus. Mangels Verfahrenseinheit könne somit durch Anrufung des unzuständigen Schiedsgerichts die materiell-rechtliche Ausschlussfrist nicht gewahrt werden (Hinweis auf andere Ansicht von Gehrlein, GmbHR...

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