Leitsatz

Kernproblem dieser Entscheidung war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Abtrennung einer Folgesache aus dem Ehescheidungsverbund nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO in Betracht kommt.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Dezember 1997 geheiratet. Aus ihrer Ehe war ein im April 2000 geborener Sohn hervorgegangen, der seit der im April 2005 erfolgten Trennung der Parteien bei der Antragstellerin lebte. Die Antragstellerin wehrte sich dagegen, dass das FamG die Ehe der Parteien vor Entscheidung über die Folgesache nachehelicher Unterhalt geschieden hatte.

Beide Parteien hatten erstinstanzlich die Scheidung ihrer Ehe begehrt, wobei der Scheidungsantrag der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners am 27.7.2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Dessen eigener Scheidungsantrag wurde der Antragstellerin nicht zugestellt, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 26.4.2007 gestellt, ohne dass die Antragstellerin die bis dahin unterbliebene Zustellung beanstandet hatte.

Am 6.3.2007 machte die Antragstellerin im Wege der Stufenklage die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig, die mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.6.2009 beziffert wurde.

Mit Scheidungsverbundurteil vom 19.2.2009 wurde die Ehe der Parteien geschieden, der Versorgungsausgleich geregelt und auf Anregung des Antragsgegners, aber gegen den Widerspruch der Antragstellerin, die Folgesache nachehelicher Unterhalt nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO aus dem Scheidungsverbund abgetrennt. Begründet wurde dies vom erstinstanzlichen Gericht damit, dass die gleichzeitige Entscheidung der Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsgegner darstellen würde, der geschieden werden wolle, weil er beabsichtige, eine neue Ehe einzugehen. Die Dauer des Verfahrens erstrecke sich nunmehr bereits über 2 1/2 Jahre, ohne dass die Folgesache Geschiedenenunterhalt bereits entscheidungsreif sei. Die im Wege der Stufenklage geführte Folgesache sei in der Leistungsstufe noch nicht einmal beziffert worden. Ein Abschluss der Folgesache sei daher gegenwärtig nicht absehbar.

Die Antragstellerin wehrte sich mit der Berufung gegen den Scheidungsausspruch und vertrat die Auffassung, die von § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO vorausgesetzte unzumutbare Härte liege nicht vor.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, das erstinstanzliche Gericht habe die Ehe der Parteien unter Verstoß gegen das in § 623 Abs. 1 S. 1 ZPO niedergelegte Verbundprinzip geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt, ohne zugleich in der Folgesache nachehelicher Unterhalt zu erkennen. Das mithin unzulässige Teilurteil verfalle wegen § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 und S. 3 i.V.m. § 301 ZPO der Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FamG. Die Voraussetzungen des vom FamG zur Rechtfertigung der Abtrennung herangezogenen § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO lägen nicht vor.

Bei richtiger Berechnung seien zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des FamG lediglich knapp 22 Monate verstrichen gewesen. Auch die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, in dem Aufschub der Scheidung sei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen und der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsgegner zu sehen, teilte das OLG nicht.

Die Vorschriften über den Verbund dienten dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten, dieser Zweck dürfe nicht vereitelt werden. § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO sei daher eng auszulegen. Der Einführung des Scheidungsverbundes lägen nämlich Erwägungen zugrunde, die eine umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zusammen mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Interesse der Ehegatten beträfen.

Der Antragsteller berufe sich zur Darstellung seiner Interessen an einer möglichst raschen Scheidung darauf, dass er seine neue Lebensgefährtin heiraten wolle. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es mittlerweile gesellschaftlich anerkannt sei, mit seinem Partner unverheiratet zusammenzuleben. Etwas anderes könne dann gelten, wenn ein Kind aus einer Verbindung erwartet werde oder die Lebenserwartung des Ehegatten, der nach der Scheidung wieder heiraten wolle, durch hohes Alter oder schlechten Gesundheitszustand begrenzt sei (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2009, 710; KG FamRZ 2001, 928). Dergleichen habe der Antragsgegner hier nicht dargetan.

Im Übrigen lasse der gesamte Verfahrensgang nicht den Schluss zu, dass die Dauer des Scheidungsverbundverfahrens - wie von dem Antragsteller behauptet - einseitig der Antragstellerin anzulasten sei.

Dass das Verfahren nach der Sitzung vom 19.6.2007 bis Ende September 2008 nicht fortbetrieben worden sei, habe die Antragstellerin jedenfalls nicht alleine zu verantworten. Dem Antragsgegner ...

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