Entscheidungsstichwort (Thema)

Scheidungsverbundverfahren: Lange Verfahrensdauer als unzumutbare Härte. Bedeutung der Folgesache nachehelicher Unterhalt für den Beibehalt des Scheidungsverbundes. Außerkrafttreten einer einstweiligen Unterhaltsanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

A. Bei der im Rahmen der Abtrennung einer Folgesache nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO erforderlichen Beurteilung, ob die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde, ist auf die Zeit der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags desjenigen Ehegatten abzustellen, der sich auf eine unzumutbare Härte beruft.

B. Das Bestehen einer einstweiligen Unterhaltsanordnung ist nicht geeignet, die Bedeutung zu mindern, die die Folgesache nachehelicher Unterhalt für den Unterhaltsberechtigten hat.

C. Mit Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung über den Trennungsunterhalt tritt eine diesbezügliche einstweilige Anordnung außer Kraft.

 

Normenkette

ZPO § 620f Abs. 1 S. 1, § 621g S. 2, § 628 S. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Urteil vom 19.02.2009; Aktenzeichen 39 F 180/06 S)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 19.2.2009 - 39 F 180/06 S - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens - an das AG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien, beide Deutsche, haben am ... Dezember 1997 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe ist der Sohn M., geboren am ... April 2000, hervorgegangen, der seit der im April 2005 erfolgten Trennung der Parteien bei der Antragstellerin lebt.

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht die Ehe der Parteien vor Entscheidung über die Folgesache nachehelicher Unterhalt geschieden hat.

Beide Parteien haben erstinstanzlich die Scheidung ihrer Ehe begehrt, wobei der Scheidungsantrag der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners am 27.7.2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde. Dessen eigener Scheidungsantrag wurde aktenersichtlich der Antragstellerin nicht zugestellt; er wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 26.4.2007 gestellt, ohne dass die Antragstellerin die bis dahin unterbliebene Zustellung beanstandet hätte.

Die Antragstellerin machte am 6.3.2007 im Wege der Stufenklage die Folgesache nachehelicher Unterhalt anhängig, die mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12.6.2009 beziffert wurde.

Mit Scheidungsverbundurteil vom 19.2.2009 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und auf Anregung des Antragsgegners, aber gegen den Widerspruch der Antragstellerin die Folgesache nachehelicher Unterhalt nach § 628 S. 1 Nr. 4 ZPO aus dem Scheidungsverbund abgetrennt.

Die gleichzeitige Entscheidung der Folgesache würde den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsgegner darstellen würde. Der Antragsgegner habe vorgetragen, dass er geschieden werden wolle, weil er beabsichtige, eine neue Ehe einzugehen. Die Dauer des Verfahrens währe nunmehr bereits über zweieinhalb Jahre, ohne dass die Folgesache Geschiedenenunterhalt bereits entscheidungsreif wäre. Die im Wege der Stufenklage geführte Folgesache sei in der Leistungsstufe noch nicht einmal beziffert worden. Ein Abschluss der Folgesache sei daher gegenwärtig nicht absehbar. Von einer außergewöhnlichen Länge der Verfahrensdauer könne bei einem Scheidungsverfahren ab einer Verfahrensdauer von zwei Jahren ausgegangen werden. Die weitere Fortdauer des Scheidungsverfahrens auf eine gegenwärtig unabsehbare Zeit stelle angesichts des Wunsches des Antragsgegners, eine neue Ehe einzugehen, eine unzumutbare Härte für diesen dar. Zu erwägen sei zudem gewesen, dass im vorliegenden Fall der Aufrechterhaltung des Scheidungsverbundes zwischen Ehe- und Folgesache Geschiedenenunterhalt eine geringere Bedeutung zukomme als im Durchschnittsfall. Die Abtrennung einer Folgesache Geschiedenenunterhalt sei normalerweise problematisch, weil mit Rechtskraft der Scheidung der Anspruch auf titulierten Trennungsunterhalt entfalle. Sei zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung der Geschiedenenunterhalt noch nicht beschieden, entstehe ein ungeregelter Zustand für den Unterhaltsbedürftigen. Vorliegend habe die Antragstellerin jedoch keinen Trennungsunterhaltstitel in den Händen, da ihre Klage auf Zahlung von Trennungsunterhalt abgewiesen worden sei. Durch eine Scheidung der Ehe vor Entscheidungsreife über den Geschiedenenunterhalt werde die Antragstellerin ggü. dem jetzigen Zustand - der Fortdauer des Getrenntlebens in ungeschiedener Ehe ohne einen titulierten Anspruch auf Trennungsunterhalt - nicht schlechter gestellt.

Gegen den Scheidungsausspruch in diesem - ihr am 9.3.2009 zugestellten - Urteil wendet sich die Antragstel...

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