Leitsatz

Durch Steuerzahlungen entsteht dem Mandanten eines Steuerberaters dann kein ersatzfähiger Schaden, wenn er keinen Anspruch auf Steuerbefreiung hat. Dem steht nicht entgegen, dass die zuständigen Finanzbehörden zeitweise den gegenteiligen Standpunkt eingenommen haben.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt einen Reiterhof mit Pensionspferdehaltung, Pferdezucht und Aufnahme von Pensionsgästen. Die Umsätze aus der Beherbergung und Beköstigung von Kindern und Jugendlichen wurden ab dem Jahr 1982 als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und mangels Eingreifens eines Befreiungstatbestands auch steuerpflichtig behandelt. Demgemäß erließ das Finanzamt auf der Grundlage einer Sonderprüfung am 8.2.1991 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1982 bis 1984. Die Klägerin legte diese innerhalb der Rechtsbehelfsfrist der beklagten Steuerberatungsgesellschaft, die sie allgemein in steuerlichen Angelegenheiten beriet, zur Prüfung vor. Die Beklagte legte keinen Einspruch ein. Sie nahm für die Klägerin auch die Umsatzsteuervor- und -jahresanmeldungen für die Jahre 1985 bis 1993 vor. Hierbei ging sie ebenso wie das Finanzamt von steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen nach § 1 Abs. 1 UStG aus. Im Anschluss an eine im Jahr 1995 durchgeführte Betriebsprüfung ergingen am 30.1.1996 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1989 bis 1993. Hierbei behandelte das Finanzamt die Umsätze aus der Beköstigung, Unterbringung und Fortbildung von Kindern und Jugendlichen als umsatzsteuerfrei. Die Klägerin nahm die Beklagte wegen der nicht beantragten Steuerbefreiung für die Jahre 1982 bis 1984 sowie für die Jahre 1992 und 1993 vor dem OLG erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch. Die Revision führte zur Klageabweisung.

 

Entscheidung

Der Geschädigte soll im Wege des Schadensersatzes grundsätzlich nicht mehr erhalten als das, was er nach der materiellen Rechtslage verlangen kann. Der Verlust oder die Vorenthaltung einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, auf die nach der Rechtsordnung kein Anspruch besteht, stellt keinen ersatzfähigen Nachteil dar[1]. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 23 UStG. Nach dieser Vorschrift ist steuerfrei die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen, soweit die Leistung an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt wird. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.

Hierzu hat der BFH entschieden[2], dass der Unternehmer, der Jugendliche für Erziehungszwecke bei sich aufnimmt, eine Einrichtung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung oder -erziehung im Sinne europarechtlicher Vorgaben[3] unterhalten muss. Befreit sind demnach allein Einrichtungen des öffentlichen Rechts auf den genannten Gebieten nach näherer Maßgabe der nationalen Bestimmungen[4].

Die danach erforderliche staatliche Anerkennung, insbesondere durch eine Genehmigung des hierfür zuständigen Landesamts für Jugend und Soziales, hat die Klägerin für ihren Reiterhof nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erhalten. Damit liegen die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 4 Nr. 23 UStG nicht vor.

 

Praxishinweis

Nach Auffassung des Senats führt die fälschlich vom Finanzamt teilweise gewährte Umsatzsteuerbefreiung nicht zu einer anderen Beurteilung. Wenn im Haftpflichtprozess die Frage, ob dem Mandanten durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des Steuerberaters ein Schaden entstanden ist, vom Ausgang eines anderen Verfahrens abhängt, muss das Regressgericht selbst prüfen, wie jenes Verfahren richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre[5]. Nur dessen Auffassung ist maßgeblich, nicht aber diejenige des mit dem Einspruchsverfahren befassten Finanzamts. Eine Steuerbefreiung kam aber aus den dargelegten Gründen auf keinen Fall in Frage.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 6.7.2006, IX ZR 88/02

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