Leitsatz

Die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zum "Gründungsschwindel" (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, § 399 Abs. 1 Nr. 1, 4 AktG) sind Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Die Angabe darüber, dass der auf eine Kapitalerhöhung einer AG eingezahlte Betrag sich endgültig in der freien Verfügung des Vorstands befindet, besagt aber nicht, dass die Einlage noch unverändert im Gesellschaftsvermögen vorhanden ist.

 

Sachverhalt

Der Kläger unterzeichnete Ende 1996 einen "Vorvertrag", mit dem er gegen Zahlung einer "Einlage" von 23000 DM ein Zertifikat über den Kauf von Inhaber-Stammaktien aus einer beabsichtigten Kapitalerhöhung der T-AG erwarb. Bereits im November 1995 hatte der Vorstand der AG gegenüber dem Handelsregister versichert, das Grundkapital der AG von 100000 DM sei eingezahlt worden und stehe zur freien Verfügung des Vorstands. Tatsächlich war der Betrag zwar auf das Unternehmenskonto eingezahlt worden. Zum Zeitpunkt der Registereintragung wies dieses aber nur noch ein Guthaben von etwa 50000 DM auf. Auch eine angebliche Kapitalerhöhung wurde gegenüber dem Handelsregister im Jahr 1997 unzutreffend angemeldet. Die neben anderen beklagte Bank hatte ein Schreiben erstellt, das die Einzahlung im November 1995 sowie den Eingang der Kapitalerhöhungsgelder Ende 1997 bestätigte. Die AG wurde in der Folge insolvent. Sie hatte ausschließlich betrügerische Anlagegeschäfte getätigt. Der BGH hob eine teilweise verurteilende Entscheidung des OLG auf.

 

Entscheidung

§ 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, das die Aufbringung des Grundkapitals gewährleisten und den Rechts- und Wirtschaftsverkehr davor bewahren soll, dass Aktien in Umlauf gesetzt werden, die nur Scheinwerte darstellen. Ziel der Vorschrift ist es auch, die Täuschung von Personen zu verhüten, die zu der Gesellschaft rechtliche und wirtschaftliche Beziehungen unterhalten oder infolge der Durchführung der Kapitalerhöhung in solche eintreten[1]. Geschützt werden insbesondere Personen, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben aus einer Kapitalerhöhung hervorgegangene neue Aktien erwerben. Die neuen Mittel müssen aber nicht thesauriert werden. Nach der Rechtsprechung genügt es für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung, dass der Einlagebetrag für Zwecke der Gesellschaft zur endgültigen freien Verfügung der Geschäftsleitung eingezahlt wird, solange er in der Folge nicht an den Einleger zurückfließt[2]. Die Angabe darüber, dass der Leistungsgegenstand sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsleitung befinde, betrifft allein die Erfüllungswirkung der fraglichen Leistung in Bezug auf die Einlageschuld. Sie sagt nichts darüber aus, dass die Einlage bei der Registeranmeldung noch unverändert, d.h. gegenständlich oder wertmäßig, im Gesellschaftsvermögen oder gar unangetastet auf dem Einlagenkonto vorhanden sei[3]. Einen Kapitalrückfluss hatte das OLG nicht festgestellt und muss jetzt entsprechende Überprüfungen durchführen.

Selbst für den Fall, dass die "Bankbestätigung" unrichtig gewesen sein sollte, besteht (zunächst) kein Schadensersatzanspruch. Denn dieser würde eine Kausalität für den geltend gemachten Schaden voraussetzen, der nicht zu erkennen war. Nur eine konkret schadensursächliche Schutzgesetzverletzung kann einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB auslösen. § 399 Abs. 1 AktG schützt nicht das Vertrauen auf die Ordnungsmäßigkeit künftiger Maßnahmen. Geschützt ist vielmehr nur ein Vertrauen, das sich auf bereits zum Handelsregister gemachte Angaben gründet. Dementsprechend setzt ein Schadensersatzanspruch wegen falscher Angaben i.S.d. § 399 AktG voraus, dass der Geschädigte im Vertrauen auf deren Richtigkeit z.B. Aktien erworben oder sonstige Vermögensdispositionen getroffen und dadurch einen Schaden erlitten hat. Hier waren die Anmeldung zum Handelsregister sowie das "Bestätigungsschreiben" aber lange nach dem "Vorvertrag" erfolgt.

 

Praxishinweis

Für einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich Angaben gegenüber dem Handelsregister bedarf es nicht der Einsichtnahme in das Register. Es genügt die mittelbare Kenntnis desjenigen, dem bekannt ist, dass der betreffende Vorgang, z.B. die Durchführung einer Kapitalerhöhung, in das Handelsregister eingetragen worden ist[4]. Einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB hat aber nur, wer durch ein (bewusstes) Verhalten im Vertrauen auf die Richtigkeit der relevanten Angaben einen Schaden erlitten hat. Die allgemeine Vorstellung, es sei "alles in Ordnung", reicht dafür nicht aus, weil es in diesem Fall an einem Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 399 AktG fehlt.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 26.9.2005, II ZR 380/03

[1] Ausführlich BGH-Urteil vom 11.7.1988, II ZR 243/87, NJW 1988, S. 2794
[4] Vgl. ebenda

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge