8.1.1 Organisationsform

 

Rz. 250

Das BVerfG hat mit Urteil v. 20.12.2007 entschieden, dass Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b dem Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung widersprechen, der den zuständigen Verwaltungsträger verpflichtet, seine Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (Urteil v. 20.12.2007, 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04). § 44b verletzt danach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 i. V. m. Art. 83 GG. Das BVerfG hat die Norm gleichwohl nicht für nichtig, sondern lediglich für unvereinbar mit dem GG erklärt und damit bewirkt, dass die Norm für einen begrenzten Zeitraum, den das Gericht bis zum Ende des Jahres 2010 befristet hat, weiterhin angewendet werden konnte. Damit wurden ein rechtliches Vakuum und damit einhergehende Rechtsunsicherheiten bei den Behörden und den von der Grundsicherung für Arbeitsuchende betroffenen Menschen vermieden. Die Grundrechte sowie der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, hier in der Ausprägung des Prinzips der Rechtssicherheit, stellten für das BVerfG ein Rechtsgut dar, das die Weitergeltung der verfassungswidrigen Norm geboten hat, um der Verwaltung die Erbringung von Leistungen mangels gesetzlicher Grundlage nicht unmöglich zu machen.

Das Urteil hat den Gesetzgeber zu einer organisatorischen Neuregelung der Grundsicherung für Arbeitsuchende gezwungen. Die Leistungsgewährung selbst, also die Eingliederungsleistungen und die Leistungen zum Lebensunterhalt, waren von der Entscheidung nicht betroffen. Das Urteil hatte auch keinen Einfluss auf bereits ergangene Entscheidungen der Grundsicherungsstellen, auch nicht auf die der Arbeitsgemeinschaften.

Die Verfassungswidrigkeit des § 44b beruhte nach den Ausführungen des BVerfG auf 3 Ursachen, durch die das verfassungsrechtlich zulässige Maß des Zusammenwirkens von Bundes- und Landesbehörden durch einheitliche Wahrnehmung der Aufgaben der kommunalen Träger und der Bundesagentur für Arbeit überschritten wurde.

a) Unzulässige Mischverwaltung

Das Grundgesetz sieht zunächst grundsätzlich nicht vor, dass Bund und Länder Bundesgesetze gemeinsam vollziehen oder dazu eine 3. Institution schaffen. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes sah keine Arbeitsgemeinschaften vor. Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind selbst mit Zustimmung der Beteiligten nicht möglich. Von begrenzten Ausnahmen abgesehen wurde durch das Grundgesetz auch eine Mischverwaltung ausgeschlossen. Ohne verfassungsrechtliche Ermächtigung widersprach es der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wenn im Aufgabenbereich der Länder in weitem Umfang Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes vorgesehen wurden. Eine Ausnahme hiervon setzte voraus, dass ein Zusammenwirken von Bund und Ländern nur im Rahmen einer eng begrenzten Verwaltungsmaterie stattfinden sollte und ein besonderer sachlicher Grund das Zusammenwirken rechtfertigte. Schon das durch die Grundsicherung beanspruchte Finanzvolumen wie auch die Anzahl der betroffenen Personen gingen weit über eine eng begrenzte Verwaltungsmaterie hinaus. Außerdem fehlte es schon deshalb an einem sachlichen Grund, der ein Abweichen vom Gesetzesvollzug alternativ durch den Bund oder die Länder rechtfertigen könnte, weil der Gesetzgeber durch Schaffung der zugelassenen kommunalen Trägerschaft nach § 6a selbst eingeräumt hatte, dass ein Zusammenwirken von Bund und Ländern nicht wirklich notwendig war. Insoweit ließ sich die Leistungserbringung aus einer Hand als wichtiges gesetzgeberisches Ziel z. B. auch durch eine Ausweitung der Option erreichen (alleinige kommunale Trägerschaft als Folge eines Gesamtvollzuges als eigene Angelegenheit der Länder). Auch das historisch gewachsene nebeneinander von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe rechtfertigte die auf Dauer angelegte Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften nicht. Das BVerfG hat in diesem Zusammenhang auch auf eine bundeseigene Verwaltung als alternative Lösungsmöglichkeit hingewiesen. Eher am Rande hat das Gericht erwähnt, dass ein sachlicher Grund in diesem Sinne auch nicht aus der politischen Unfähigkeit zur Einigung auf einen allein vollziehenden Träger abgeleitet werden kann.

Die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b sind keine Leistungsträger der Grundsicherung, allerdings auch nicht nur eine räumliche Zusammenfassung verschiedener Behörden mit koordinierenden und informierenden Tätigkeiten, sondern eine selbstständige Organisationseinheit mit den gesamten Aufgaben einer hoheitlichen Leistungsverwaltung nach dem SGB II, die sowohl von der Kommune als auch von der örtlichen Agentur für Arbeit getrennt ist. Daher kann bei den Arbeitsgemeinschaften als gemeinschaftliche Verwaltungseinrichtungen der Bundesagentur für Arbeit und der kommunalen Träger zum Vollzug der Grundsicherung ein Zusammenwirken von Bund und Ländern nicht verneint werden. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Trägereigenschaft nicht an.

b) Garantie eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung

Zweite ...

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