Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. steuerfreie Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. zweckbestimmte Einnahme. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. keine Verrechnung von Überzahlungen

 

Leitsatz (amtlich)

Zuschläge für Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagszuschläge sind gemäß § 3b Abs 1 EStG (begrenzt) steuerlich privilegierte Aufwandsentschädigungen und daher zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2.

 

Orientierungssatz

1. Werden die Leistungen nach SGB 2 trotz Hinweis des Hilfebedürftigen auf schwankendes Einkommen nicht gem § 42 SGB 1 oder gem § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB 2 iVm § 328 SGB 3 vorläufig, sondern endgültig festgesetzt und wurde ein regelmäßiger Nachweis des Einkommens in tatsächlicher Höhe nicht gefordert, so darf der Grundsicherungsträger die bindend gewordenen Verwaltungsakte nicht mit Wirkung für die Vergangenheit (teil-)aufheben oder zurücknehmen.

2. Innerhalb eines Bewilligungszeitraumes für Leistungen nach dem SGB 2 - oder gar darüber hinaus - können Überzahlungen für einzelne Monate nicht mit zu geringen Leistungen für andere Monate saldiert werden (vgl BSG vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R = BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5).

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 17.03.2008 (S 12 AS 451/07) betreffend den Bewilligungszeitraum von November 2005 bis April 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen Aufhebungs-, Rückforderungs- und Änderungsbescheide der Beklagten bezüglich ihnen im Zeitraum vom November 2005 bis April 2006 gewährter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und begehren die Berücksichtigung vom Kläger erzielter Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit diese (begrenzt) steuerlich privilegierte Aufwandsentschädigungen im Sinne des § 3b Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) darstellen, als zweckbestimmte Einnahmen i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II.

Die Kläger, bei denen jeweils ein Diabetes mellitus Typ IIa diagnostiziert wurde, sind Ehegatten und wohnen in D. in einer ca. 60,59 qm großen Genossenschaftswohnung im 4. OG in der H. Str. in D. . Für die Wohnung, die mit Fernwärme beheizt wird, entrichteten sie seit Oktober 2004 eine monatliche Nutzungsgebühr von 272,18 EUR, eine Heizkostenvorauszahlung von 70,- EUR, eine Vorauszahlung für Wasser bzw. Entwässerung von 33,- EUR sowie sonstige allgemeine Betriebskosten von 29,- EUR, d.h. insgesamt 404,18 EUR. Zum 01.11.2005 wurde die Vorauszahlung für Heizung und Warmwasserbereitung auf monatlich 80,- EUR und die Vorauszahlung für die allgemeinen Betriebskosten auf monatlich 32,- EUR angehoben. Zum 01.12.2006 wurde die Vorauszahlung für Heizung und Warmwasserbereitung auf monatlich 97,- EUR und die Vorauszahlung für die allgemeinen Betriebskosten auf monatlich 44,- EUR angehoben.

Die 1947 geborene Klägerin zu 2. ist arbeitslos und bezog bis einschließlich 15.01.2005 von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 21,78 EUR, d.h. in der Zeit vom 01.01. bis 15.01.2005 in Höhe von insgesamt 326,70 EUR.

Der 1942 geborene Kläger zu 1. arbeitet seit Mai 2001 als Wachmann bei der S. W. - und Sch. . Für das Jahr 2005 berücksichtigte das Finanzamt D. III laut Einkommensteuerbescheid vom 18.07.2006 (Blatt 132 Verwaltungsakte) einen Bruttoarbeitslohn des Klägers zu 1. in Höhe von 10.896,- EUR (d.h. ohne die beschränkt steuerfreien Zuschläge) und setzte davon u.a. Mehraufwendungen für Verpflegung wegen Einsatzwechseltätigkeit in Höhe von 1.020,- EUR ab. Im Kalenderjahr 2005 war der Kläger zu 1. an 20 Tagen über 8 Stunden und an weiteren 75 Tagen über 14 Stunden aus beruflichen Gründen von seiner Wohnung abwesend. Er erzielt aus seiner Beschäftigung monatlich unterschiedlich hohes Einkommen; dieses betrug im Oktober 2004 brutto 1.027,02 EUR und netto 795,66 EUR. Sein Gehalt, das ihm jeweils Mitte des Folgemonats ausgezahlt wurde, beinhaltete stets steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit sowie Sonn- und Feiertagszuschläge in monatlich unterschiedlicher Höhe. Wegen der jeweiligen Einkommensbeträge wird auf die von der S. W. - und Sch. am 24.05.2006 erstellte Einkommensübersicht, Blatt 91 Verwaltungsakte, Bezug genommen sowie wegen der vom Kläger zu 1. vorgelegten Verdienstbescheinigungen für März bis November 2006 auf Blatt 76, 102, 112, 114, 126, 134, 138, 141, 157, 227, 228 Verwaltungsakte und auf die Verdienstbescheinigungen für Dezember 2006 bis April 2007, Blatt 52 bis 61 der LSG-Akte - L 2 AS 101/08 -. Der Weg des Klägers zu 1. zu seiner Arbeitsstätte betrug je nach Ort des bewachten Objektes 5 bzw. 9 km. Die Kläger verfügen jeder über einen PKW, für den sie jeweils Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung entrichten.

Am 10.11.2004 beantragten die Kläger, die über kein über die Freibeträge ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge