Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Regelbedarf. Verfassungsmäßigkeit. Neuermittlung auf Grundlage der EVS 2013

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Geltendmachung der Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung nach dem Beschluss des BVerfG vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua = BVerfGE 137, 34 = SozR 4-4200 § 20 Nr 20.

2. Zur Neuermittlung des Regelbedarfs auf der Grundlage der Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. September 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), speziell die Höhe des Regelbedarfs, für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 31.03.2017.

Die 1966 geborene Klägerin steht im dauernden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Der Beklagte bewilligte ihr auf ihren Fortzahlungsantrag mit Bescheid vom 09.03.2016 i.d.F. der Änderungsbescheide vom 03.05.2016, 05.07.2016, 04.08.2016 und 08.11.2016 Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 30.04.2016 i.H.v. insgesamt 651,92 €, vom 01.05.2016 bis 31.05.2016, 01.07.2016 bis 31.07.2016 und 01.09.2016 bis 30.09.2016 i.H.v. 638,85 € monatlich, vom 01.06.2016 bis 30.06.2016 i.H.v. 732,87 €, vom 01.08.2016 bis 31.08.2016 i.H.v. 652,91 €, vom 01.10.2016 bis 31.10.2016 i.H.v. 1.113,94 € und vom 01.11.2016 bis 31.03.2017 i.H.v. 679,85 € monatlich. Der Regelbedarf wurde jeweils i.H.v. 404,00 € angesetzt. Einkommen wurde nicht berücksichtigt. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin, in dem sie die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes rügte. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 - BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes zwar bejaht, jedoch eine zeitnahe Überprüfung der Bedarfspositionen Mobilität und Haushaltsenergie angemahnt. Da dies erst zum 01.01.2017 erfolgen solle, sei keine zeitnahe Anpassung erfolgt. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2016 unter Verweis auf die Entscheidungen des BVerfG - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12 und 1 BvL 1691/13 zurück.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 01.07.2016 zum Sozialgericht Chemnitz erhobenen Klage weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2016 abgewiesen. Die Klage auf Gewährung eines höheren Regelbedarfs sei für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 29.02.2016 unzulässig, da der angegriffene Bescheid lediglich den Zeitraum ab 01.03.2016 regele. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Festsetzung des Regelbedarfs der Klägerin auf 404,00 € monatlich begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Sozialgericht schließe sich insoweit den Ausführungen im Urteil des Bundessozialgericht (BSG) vom 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R und im Beschluss des BVerfG vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 an. Weitere Gründe, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheides ergeben könnte, habe die Klägerin nicht vorgetragen. Solche seien auch nicht ersichtlich. Von der Vorlage nach Art. 100 Grundgesetz (GG) werde abgesehen, da das Sozialgericht nicht von der Nichtigkeit des § 20 SGB II überzeugt sei. Darüber hinaus sei die Zulassung einer Sprungrevision nicht veranlasst, da die Sache aufgrund bereits vorliegender höchstrichterlicher Entscheidungen keine grundsätzliche Bedeutung habe und das Sozialgericht nicht von diesen Entscheidungen abweiche (vgl. § 161 Abs. 2 iVm 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).

Gegen den der Klägerin am 20.09.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 20.10.2016 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht (SächsLSG) eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. In der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2018 hat die Klägerin den Rechtsstreit für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis 31.03.2016 für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 16.09.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 09.03.2016 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 03.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.06.2016, alle in der Fassung der Änderungsbescheide vom 05.07.2016, 04.08.2016 und 08.11.2016 zu verurteilen, der Klägerin höhere Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis 31.03.2017 zu bewilligen,

hilfsweise die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten vor.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2016 die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 09.03.2016 i....

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