Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Gewaltopferentschädigung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. kein Recht auf Akteneinsicht für den angeschuldigten Schädiger

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Angeschuldigter in einem Verwaltungsverfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) hat kein Recht, als Beteiligter nach § 12 SGB X an diesem Verwaltungsverfahren beteiligt zu werden, und daher auch kein eigenes Akteneinsichtsrecht.

 

Orientierungssatz

1. Regelungsgegenstand des OEG ist das Verhältnis des Opfers zur Gesellschaft bzw zum Staat. Dem möglichen Schädiger kommen im Rahmen dieser Rechtsbeziehung keine eigenen Rechte zu.

2. Die Entscheidung über Leistungen nach dem OEG gegenüber dem Antragsteller trifft im Verhältnis zum Angeschuldigten keinerlei bindende Aussage zum Vorliegen der angeschuldigten Tat (vgl LSG Darmstadt vom 25.7.1995 - L 4 V 1158/94 = Breith 1996, 76).

3. Gegen den Gläubigerwechsel hinsichtlich des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nach § 5 Abs 1 OEG iVm § 81a BVG kann sich ein Schädiger ohnehin nicht wehren.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.04.2019; Aktenzeichen B 9 V 2/19 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 18. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Beteiligter, eigene Rechte in einem Verwaltungsverfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) einer anderen Person geltend machen zu können.

Mit Schreiben vom 17. November 2015 forderte der Beklagte den Kläger unter dem Aktenzeichen auf, zur weiteren Aufklärung eines Sachverhaltes aus dem Opferentschädigungsrecht aus seiner Sicht den Sachverhalt zu beschreiben bzw. zu den angeschuldigten Ereignissen Stellung zu nehmen. Eine Frau -Z- habe Beschädigtenversorgung nach dem OEG beantragt und hierbei angegeben, er habe sie im Jahr 2001 in seiner ärztlichen Praxis mehrfach unsittlich berührt, sie zur Überbringung eines Rezeptes in ihrer Wohnung aufgesucht und anschließend sexuell missbraucht.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. Dezember 2015 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 16. März 2016 den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Antrag auf Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakte des Opferentschädigungsantrags der Frau Z ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger als mutmaßlicher Schädiger nicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu dem Verfahren hinzuzuziehen sei und daher auch kein Recht auf Akteneinsicht besitze.

Hiergegen hat der Kläger am 14.04.2016 Klage beim Sozialgericht Chemnitz erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. Mai 2016 an das Sozialgericht Leipzig (SG) verwiesen hat, wo er unter dem Aktenzeichen S 23 VE 6/16 geführt wurde.

Mit weiterem Bescheid vom 16.03.2016 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 28.04.2016 lehnte der Beklagte die beantragte Hinzuziehung des Klägers als Beteiligter im Verfahren der Frau Z ab und stellte zur Begründung darauf ab, dass die rechtlichen Interessen des Klägers durch den Ausgang des Verfahrens über die Bewilligung von Leistungen nach dem OEG in keiner Form beeinträchtigt würden. Der ausstehende Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem OEG greife auch nicht unmittelbar die Rechtssphäre des Klägers ein und habe damit ihm gegenüber keine rechtsgestaltende Wirkung.

Auch hiergegen hat der Kläger am 24. Mai 2016 Klage beim Sozialgericht Leipzig erhoben. Er ist der Auffassung, es entstehe dadurch eine Rechtsschutzlücke, dass er sich mit Vorwürfen auseinandersetzen solle, die er im Detail gar nicht kenne. Mangels Durchführung eines Strafverfahrens habe er zu keinem Zeitpunkt Gelegenheit gehabt, sich mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen. Selbst ohne einen etwaigen Regressprozess des Beklagten verstoße die Versagung der Beteiligtenstellung gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens.

Mit Beschluss vom 01.08 2016 hat das SG das Verfahren S 23 VE 6/16 zum Verfahren S 23 VE 5/16 hinzuverbunden.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.10.2016 hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Beteiligung am OE-Verfahren der Frau Z noch habe er ein Akteneinsichtsrecht in die Verfahrensakte zum Aktenzeichen.

Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens seien nach § 12 Abs. 1 SGB X der Antragsteller und Antragsgegner (Nr. 1), diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten wolle oder gerichtet habe (Nr. 2), diejenigen, mit denen die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen wolle oder geschlossen habe (Nr. 3), und diejenigen, die nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden seien (Nr. 4). Die Behörde könne nach § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB X von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden könnten, als Beteiligte hinzuziehen. Habe der Ausgang des Verfahre...

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