Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflichtmitgliedschaft. Versicherungsfreiheit. Landwirtschaftliches Unternehmen. Wochenendgrundstück. Hausgarten. Ziergarten. Kleingarten. Allgemeine Bagetellgrenze. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Objektive Beweislast

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Haus- und Ziergarten i.S.v. § 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist nur anzunehmen, wenn der Garten zu einem Hausgrundstück gehört oder sich innerhalb des Wohnumfelds befindet, in dem die Wohnung liegt.

2. Eine Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung setzt voraus, dass die landwirtschaftlichen Arbeiten die Bagatellgrenze überschreiten. Vorbehaltlich von Besonderheiten des Einzelfalls liegen Aktivitäten nur dann über der Bagatellgrenze, wenn der zeitliche Aufwand pro Jahr eine Arbeitswoche übersteigt.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; SGB VII § 123 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; RVO § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 778; BKleinG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Gerichtsbescheid vom 11.10.1999; Aktenzeichen S 7 U 121/99 LW)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.11.2003; Aktenzeichen B 2 U 51/02 R)

 

Tenor

I. Auf Berufung und Klage des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 11.10.1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.1999 und die Bescheide vom 29.04.1999, 21.02.2000 und vom 22.02.2001 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Einbeziehung in die landwirtschaftliche Unfallversicherung als beitragspflichtiges Mitglied.

Die Beklagte bat den am… geborenen Kläger mit Schreiben vom 14.10.1997 um Auskunft über von ihm genutzte landwirtschaftliche Flächen (0,5040 ha und 0,2100 ha). Dieser teilte am 21.10.1997 mit, es handle sich um 0,2840 ha Landwirtschaft, 0,2200 ha Kleingarten und 0,2100 ha Obstflächen. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche sei verpachtet worden. Inzwischen sei das Gebiet, in der das Grundstück liege, als Baugebiet erschlossen und das Grundstück neu vermessen und geteilt worden. Es hätten sich dabei folgende Flächengrößen ergeben: Flurstück 1 mit 0,2204 ha, Flurstück 2 mit 0,2028 ha und Flurstück 3 mit 0,2665 ha. Flurstück 3 sei zunächst weiter verpachtet gewesen, der Pachtvertrag jedoch zum Jahresende 1994 gekündigt worden. Das Grundstück sei an einen Bauträger verkauft worden, der Mitte 1995 mit Erschließungsarbeiten begonnen habe. Gleiches gelte für das Flurstück 1. Das Flurstück 2 (0,2028 ha) werde weiterhin von ihm genutzt (In der mündlichen Verhandlung am 7.2.2002 hat der Kläger dazu erklärt, die Flurstücke 1 und 3 seien seit 1994 von ihm nicht mehr bewirtschaftet worden.)

Das Flurstück 2 ist mit einem Wochenendhaus bebaut und vor allem mit Laub- und Nadelbäumen bepflanzt. Aus weiteren Angaben des Klägers vom 10.2.1999 geht eine Gesamtgröße des eigentlichen Gartens von 0,1950 ha hervor. Davon werden 0,0050 ha als Gemüse-, 0,1400 ha als Zier- und 0,0500 ha als Obstgarten genutzt. Letzterer umfasst 30 Obstbäume (Apfel, Birne, Pflaume, Pfirsich, Aprikose, Quitte, Sauer- und Süßkirsche, Beerenobst). Sie befinden sich in einem gepflegten Zustand. Das Obst wird überwiegend im eigenen Haushalt verwendet, es wird nicht verkauft. Fremde Arbeitskräfte werden für die Gartenarbeit nicht herangezogen.

Mit Bescheid vom 25.2.1999 stellte die Beklagte ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit für das vom Kläger betriebene landwirtschaftliche Unternehmen fest. Es bestehe Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung seit dem 1.7.1992. Beitragspflichtig sei der Kläger ab der im Jahre 1995 fällig gewordenen Umlage für das Jahr 1994. Beitragsansprüche vor diesem Zeitraum seien verjährt. Dem widersprach der Kläger mit der Begründung, nach § 123 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) seien Wochenendgrundstücke bis zu einer Größe von 0,2500 ha von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung befreit. Mit Bescheid vom 14.4.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte insbesondere aus, nach § 123 Abs. 2 SGB VII würden zwar solche Haus-, Zier- und andere Kleingärten nicht als landwirtschaftliche Unternehmen gelten, die weder regelmäßig noch in erheblichem Umfang mit besonderen Arbeitskräften bewirtschaftet würden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Haushalt dienten. Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien diese aber schon dann nicht mehr versicherungsfrei, wenn die Haus- und Ziergärten größer als 0,2500 ha seien (Hinweis auf Entscheidungen des Reichsversicherungsamtes [RVA], EuM 10, 215; AN 1917, 625; 1918, 161; Hinweis auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts [BSG], Breith. 1978, 742; BSGE 36, 75) und die Kleingärten größer als 0,0400 ha seien (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 778 Nr. 2 RVO; RVA AN 1888, 240; EuM 38, 245). Von einem versicherungsfreien Haus-, Zier- oder anderen Kleingar...

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