Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Verschulden. fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Hinweispflichten des Leistungsträgers. niedrigerer Bedarfssatz für erwachsene Leistungsberechtigte in Sammelunterkünften. Verfassungsmäßigkeit

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner ungekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Der 1997 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger von Kamerun.

Er reiste am 3. Juni 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde nach seiner Erstaufnahme in Y. am 7. Juni 2018 von der Landesdirektion Sachsen - Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) übernommen. Diese wies den Antragsteller gemäß § 50 Asylgesetz (AsylG) dem Antragsgegner zu (Bescheid vom 20. September 2018). Auf seinen Asylantrag vom 12. Juli 2018 erhielt der Antragsteller eine Aufenthaltsgestattung. Der Antragsgegner verpflichtete den Antragsteller mit Bescheid vom 20. September 2018 dazu, in einer Gemeinschaftsunterkunft in A. zu wohnen. Am selben Tag erging der weitere Bescheid über die Bewilligung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als offensichtlich unbegründet ab. Der daraufhin vor dem Verwaltungsgericht B. eingelegte Eilantrag wurde ebenfalls abgelehnt (Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 3 L 985/18 A). Seit diesem Tag ist die Abschiebungsandrohung vollziehbar. Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet wird seither geduldet.

Am 2. Juli 2019 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner, ihm die Aufnahme einer Beschäftigung zu erlauben. In diesem Zusammenhang forderte dieser den Antragsteller mit Schreiben vom selben Tag dazu auf, bis zum 2. August 2019 Dokumente vorzulegen, die seine Identität zweifelsfrei belegen würden. Sollte er den Termin verstreichen lassen, entscheide der Antragsgegner nach Aktenlage. Weitere Folgen wurden nicht in Aussicht gestellt. An jenem Tag sprach der Antragsteller beim Antragsgegner vor und teilte mit, nicht im Besitz eines Reisepasses oder einer ID-Card zu sein. Der Antragsgegner lehnte sodann den Antrag auf Aufnahme einer Beschäftigung ab (Bescheid vom 9. August 2019). Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig und Inhaber der Duldung ausschließlich deshalb, weil die notwendigen Rückreisedokumente fehlten. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen hätten nicht aufgrund dieses tatsächlichen Hindernisses nicht durchgeführt werden können. Zur Passbeschaffung sei der Antragsteller allerdings gesetzlich verpflichtet. Einer konkreten Aufforderung zur Mitwirkung bedürfe es seitens der Ausländerbehörde nicht. Da der Antragsteller auch nicht nachgewiesen habe, sich überhaupt um die Beschaffung eines Passes bemüht zu haben, habe ihm die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung nicht erteilt werden können (Bezug auf § 60a Abs. 6 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)).

Nachdem der Antragsgegner festgestellt hatte, dass der Antragsteller für September 2019 seinen Barscheck nicht abgeholt hatte, stellte er die Leistungen zum 1. September 2019 ohne vorherige Anhörung ein, da er vermutete, der Antragsteller würde entgegen des Beschäftigungsverbots einer bezahlten Arbeit nachgehen. Seinen Bescheid vom 11. September 2019 stützte er auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch mit der nicht näher dargelegten Begründung, dass der Anspruch des Antragstellers zum Ruhen gekommen sei, da dieser gewusst oder grob fahrlässig nicht gewusst habe, dass der Leistungsanspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz bzw. teilweise weggefallen sei. Denn weil der Antragsteller seinen Barscheck nicht abgeholt habe, könne davon ausgegangen werden, dass er nicht mehr hilfebedürftig sei. Daraufhin stellte der Antragsteller am 17. September 2019 erneut einen Antrag auf Asylbewerberleistungen. Die auf die Leistungseinstellung bezogene Anhörung holte der Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 nach.

Mit Bescheid vom 17. September 2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für September 2019 anteilig 144,67 Euro. Ohne vorherige Anhörung stellte er im Bescheid vom 18. September 2019 fest, dass dem Antragsteller nur abgesenkte Leistungen in Höhe von 164 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. März 2020 anstelle der zuvor gewährten 320 Euro monatlich zustünden. Dies folge aus § 1a Abs. 3 AsylbLG, da der Antragsteller an der Passbeschaffung nicht mitgewirkt habe.

Gegen die Bescheide vom 17. Und 18. September 2019 legte der Antragsteller am 18. Oktober 2019 Widerspruch ein. Die Gewährung der abgesenkten Leistungen sei zu Unrecht erfolgt. Der Antragsteller habe seine Pflicht zur Mitwirkung an der Passbeschaffung nicht verletzt, da er dazu nicht nachvollziehbar aufgefordert worden sei. Zudem dürften Leistungen nicht nach der Regelbedarfsstufe 2 bewilligt werden, da ni...

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