Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Beschwerdeausschluss

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage nach der maßgebenden Rechtslage kommt es nicht auf den Tag an, auf den ein nicht verkündeter Beschluss datiert ist, sondern auf den Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses.

2. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen des nach Auffassung des Sozialgerichts fehlenden amtlichen Vordrucks zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fehlt, ist nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung nicht statthaft.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 31. März 2008 wird verworfen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin zu 2. gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. April 2008 zugestellten Beschluss vom 31. März 2008, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen des nach Auffassung des Sozialgerichtes fehlenden amtlichen Vordrucks abgelehnt wurde, ist nicht statthaft.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint.

Die mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) eingeführte und seit dem 1. April 2008 geltende Rechtslage ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren maßgeblich, weil der angegriffene Beschluss erst nach dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Gesetzesänderung der Klägerin zu 2. zugestellt worden ist. Unerheblich ist, dass der Beschluss auf den 31. März 2008 datiert. Denn Beschlüsse werden, ebenso wie nicht verkündete Urteile, erst mit der Zustellung existent (vgl. Meyer-Ladewig, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [8. Aufl., 2005], § 133 RdNr.1 und 3). Erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung - und damit der Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung an den Prozessbeteiligten - kann auch ein etwaiges Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage entstehen. Ein etwaiges vor der Zustellung eines Beschlusses bestehendes Vertrauen dahin, dass die Rechtsmittelmöglichkeiten nach Abschluss des Verfahrens in der derzeitigen Instanz fortbestehen werden, ist vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht schützenswert. In einem solchen Fall muss ein Vertrauen auf den Fortbestand der alten Regelungen hinter das öffentliche Interesse an einer möglichst weitreichenden Geltung der neuen Bestimmungen zurücktreten.

Der Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG umfasst auch den Fall, in dem der Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt worden ist, weil nach Auffassung des Sozialgerichtes der nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. der Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKHVV) vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3001) in der Fassung des Art. 36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) erforderliche Vordruck nicht vorgelegt worden ist. Denn der Gesetzgeber fordert in § 114 Abs. 1 ZPO, dass für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen: die Bedürftigkeit des Antragstellers nach dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einerseits sowie die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung und die fehlende Mutwilligkeit andererseits. Die Terminologie aus § 114 Abs. 1 ZPO findet sich in anderen Regelungen zum Prozesskostenhilferecht wieder, z.B. in § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder § 127 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 ZPO. In diesem zweigeteilten System gehört die genannten Regelungen zu Formerfordernissen ebenso wie zum Beispiel die Regelungen über den Einsatz von Einkommen und Vermögen (§ 115 ZPO) oder die Festsetzung von Zahlungen (§ 120 ZPO) zu dem Teil, der die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft. Demzufolge gilt die Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG über den Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, erst Recht für den Unterfall, dass das Sozialgericht die prozesskostenhilferechtliche Bedürftigkeit wegen eines seiner Auffassung nach fehlenden Vordrucks zur Erklärung über persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse meint nicht prüfen zu können.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§§ 177, 183 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2030069

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