Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Entscheidung des SG im Vergütungsfestsetzungsverfahren. Ermittlung der billigen Verfahrensgebühr für einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Aufgabe der Rechtsprechung zur "Chemnitzer Tabelle"

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 178 Satz 1 SGG steht der Statthaftigkeit einer Beschwerde zum LSG nicht entgegen, soweit die Vergütung des im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalts betroffen ist. § 178 Satz 1 SGG wird insoweit von § 56 Abs 2 S 1 iVm § 33 Abs 3 S 1 RVG als speziellerer Norm verdrängt.

2. Der Senat hält an der Rechtsprechung des Sächsischen LSG zur so genannten "Chemnitzer Tabelle" (vgl LSG Chemnitz vom 31.3.2010 - L 6 AS 99/10 B KO) nicht fest.

 

Orientierungssatz

Zur Ermittlung der billigen Verfahrensgebühr für ein sozialrechtliches Eilverfahren.

 

Normenkette

RVG § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 1, § 14 Abs. 1 Sätze 1-2, 4, Abs. 2 S. 1; SGG § 86b Abs. 1, 2 S. 2, § 103 S. 1, § 178 S. 1; GKG § 52 Abs. 1; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung eines im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) in einem sozialgerichtlichen Eilverfahren beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Antragsteller, der seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, führte vor dem Sozialgericht Dresden (SG) mehrere Verfahren um die Höhe der ab dem 01.07.2006 zustehenden Grundsicherungsleistungen. Insbesondere waren streitig der Wert und die Verwertbarkeit seines Miteigentumsanteils an einer selbst bewohnten Immobilie. Vertreten wurde er jeweils durch die beschwerdeführende Rechtsanwältin. Der hier streitigen Kostenfestsetzung zugrunde lag ein vor dem Sozialgericht Dresden (SG) geführtes Eilverfahren des Antragstellers um vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab 01.12.2010 (S 28 AS 7610/10 ER), nachdem der Grundsicherungsträger ihm mit Bescheid vom 22.11.2010 Leistungen wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch versagt hatte. Gegen den Bescheid legte der Antragsteller, vertreten durch die Beschwerdeführerin, zugleich Widerspruch ein. Mit Beschluss vom 28.12.2010 bewilligte das SG PKH unter Beiordnung der Beschwerdeführerin. Nach mehreren gewechselten Schriftsätzen gab das SG dem Eilantrag mit Beschluss vom 28.12.2010 statt und verpflichtet den Antragsgegner zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Am 27.05.2011 hat die Beschwerdeführerin beantragt, die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 571,20 € auf der Grundlage einer Verfahrensgebühr nach Nummer 3102 Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) von 460,00 € sowie der Pauschale für Post und Telekommunikation von 20,00 € nach Nr. 7002 VV RVG und 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG festzusetzen. Mit Beschluss vom 28.10.2011 hat der Urkundsbeamte des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 321,30 € festgesetzt, wobei er eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 250,00 € für angemessen hielt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die zuständige Kammer des SG mit Beschluss vom 21.05.2012 zurückgewiesen. Zu Recht sei nach den Maßstäben des § 14 Abs. 1 RVG eine Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 € in Ansatz gebracht worden. Die Bedeutung für den Antragsteller des Eilverfahrens sei leicht unterdurchschnittlich gewesen. Er habe seinen Bedarf nach dem SGB II nur teilweise durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung decken könne. Da er im eigenen Haus lebte, habe er jedoch nicht befürchten müssen, obdachlos zu werden. Seine unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse würden durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit kompensiert. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei leicht unterdurchschnittlich. Ausgehend von einer objektiven Betrachtung der qualitativen Anforderungen der anwaltlichen Tätigkeit im konkreten Fall hätten Schwierigkeiten allenfalls im Umgang mit den Grundsicherungsträger als Antragsgegner im Eilverfahren bestanden. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich. Sie habe sich zwar nicht auf lapidare Mitteilungen beschränkt, eine überdurchschnittliche Beanspruchung sei dennoch nicht zu erkennen. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund der Vielzahl von Verfahren von Synergieeffekten profitieren können, indem sie auf in anderen Schriftsätzen getätigte Ausführungen zurückgreifen habe können.

Gegen den am 23.05.2012 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 04.06.2012 Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Sie hält die Vergütungsfestsetzung für unrichtig. Die Geltendmachung der Höchstgebühr sei angesichts des Arbeitsaufwandes und der B...

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