Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitwertfestsetzung. Stufenklage einer Kassenärztlichen Vereinigung betreffend den Einbehalt zur Förderung der integrierten Versorgung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind im Falle einer Stufenklage, mit der die Darlegung der Verwendung des Einbehalts zur Förderung der integrierten Versorgung gemäß § 140d Abs 1 Satz 4 SGB V aF und die Auszahlung ggf nicht verwendeter Mittel gemäß § 140d Abs 1 Satz 8 SGB V aF verlangt wird, keine Angaben oder Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Schätzung der (Mindest-)Höhe des Zahlungsanspruchs erlauben, ist der Streitwert auf den Auffangstreitwert (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG, § 52 Abs 2 GKG) festzusetzen, auch wenn der Einbehalt, auf den sich der Auskunftsanspruch bezieht und der die Höhe des möglichen Zahlungsanspruchs nach oben begrenzt, einen wesentlichen höheren Betrag betrifft (hier über 1,9 Mio EUR).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 4. März 2016 abgeändert und der Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht endgültig auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

II. Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die beschwerdeführende Beklagte wendet sich gegen eine Streitwertfestsetzung.

Die klagende Kassenärztliche Vereinigung hat mit ihrer am 22. Dezember 2011 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage beantragt, die beklagte Krankenkasse zu verurteilen, eine umfassende Auskunft gemäß § 140d Abs. 1 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der seit 1. April 2007 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378; nachfolgend a.F.) über die Verwendung der nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. einbehaltenen Mittel der Gesamtvergütung zur Förderung der integrierten Versorgung zu erteilen und nach der Auskunft gemäß § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V a.F. die weder für Verträge zur integrierten Versorgung einbehaltenen noch zur Förderung der integrierten Versorgung verwendeten Mittel auszuzahlen. Vorgerichtlich habe die Beklagte zwar mitgeteilt, dass lediglich eine mit ihr fusionierte Krankenkasse einbehaltene Mittel in Höhe von 1.705,58 EUR nicht verbraucht habe. Diesen Betrag habe die Beklagte aber zum einen noch nicht gezahlt, zum anderen schulde sie detaillierte Angaben zur Verwendung aller einbehaltenen Mittel. Die Beklagte hat erwidert, dass die Klägerin nicht eine Auskunft im begehrten Umfang verlangen könne. Die Beteiligten haben - nach Hinweis des SG, dass eine umfassende Auskunft zu erteilen sei - im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2014 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, nach dem die Beklagte zur vollumfänglichen Erledigung des Rechtsstreits an die Klägerin 30 Prozent der einbehaltenen Mittel in Höhe von 1.941.180,85 EUR - d.h. 582.354,25 EUR - zu zahlen und 70 % der Verfahrenskosten zu übernehmen hat.

Daraufhin haben die Beteiligten übereinstimmend die Festsetzung des Streitwerts auf 5.000,00 EUR befürwortet. Die Beklagte hat hervorgehoben, dass sich nach Prüfung der betreffenden Verträge zur integrierten Versorgung und der Verwendungsnachweise unter Umständen kein Zahlungsanspruch oder ein Zahlungsanspruch deutlich unter der Vergleichssumme ergeben hätte. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte für eine Bezifferung des Streitwerts vor. Insbesondere dem Vergleich habe keine präjudizielle Wirkung hinsichtlich eines rechtlich bestehenden Zahlungsanspruchs zukommen sollen. Vielmehr seien prozessökonomische Gründe für den Abschluss des Vergleichs maßgeblich gewesen.

Das SG hat indes mit Beschluss vom 4. März 2016 den Streitwert auf 582.354,25 EUR festgesetzt. Es sei zu berücksichtigen, dass der Zahlungsanspruch maximal den gesamten Einbehalt, also 1.941.180,85 EUR, hätte betreffen können. Hiervon sei zur Bemessung des Werts des Auskunftsanspruchs eine Reduzierung auf ein Drittel vorzunehmen, da die Auskunft für die Klägerin von wesentlicher Bedeutung gewesen sei. Eine Festsetzung des Streitwerts nach dem Auffangstreitwert würde der Bedeutung der Sache nicht gerecht.

Mit ihrer am 15. März 2016 erhobenen Beschwerde hat die Beklagte beantragt, den Streitwert auf 5.000,00 EUR abzusenken. Es sei willkürlich, wenn das SG von einem Drittel des  höchstmöglichen Zahlungsanspruchs ausgehe. Anspruch und Streitwert richteten sich nach dem Betrag, der nicht weiter rechtmäßig einbehalten werden könne. Vorliegend seien aber nicht einmal die maßgeblichen Verträge dem Verfahrensstoff zugeführt worden. Das SG habe mithin überhaupt keine Anhaltspunkte für die Höhe des Zahlungsanspruchs gehabt.

Mit Verfügung vom 20. April 2016 hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Die Beschwerde hat in vollem Umfang Erfolg.

a) Zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts in den Fällen des § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zwar nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) grundsätzlich der Berichterstatte...

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