Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld für nicht dem Haushalt angehörende Kinder. keine zweckbestimmte Einnahme. keine Berücksichtigung bei Weiterleitung an das Kind. Ermächtigungskonformität des § 1 Abs 1 Nr 8 AlgIIV 2008. zeitnahe Weiterleitung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kindergeld ist keine Leistung iS von § 11a Abs 3 S 1 SGB 2, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird.

2. Die Regelung in § 1 Abs 1 Nr 8 ALG II-V (juris: AlgIIV 2008) ist von der Verordnungsermächtigung in § 13 Abs 1 Nr 1 SGB 2 gedeckt.

3. "Weiterleiten an das Kind" iS von § 1 Abs 1 Nr 8 ALG II-V (juris: AlgIIV 2008) bedeutet, dass das Kindergeld so in den Verfügungsbereich des (volljährigen) Kindes oder der Person, die sich um die Angelegenheiten des Kindes kümmert, gelangt, dass es zur Existenzsicherung des Kindes, das heißt zur Deckung seiner Bedarfe, eingesetzt werden kann. Wenn hingegen die Bedarfe des Kindes durch Leistungen Dritter, zum Beispiel von Familienangehörigen, gedeckt werden und das Kindergeld später nur an diese Dritten zur Refinanzierung der zuvor von diesen an das Kind erbrachten Leistungen dienen, erfolgt keine Weiterleitung des Kindergeldes "an das Kind".

4. Von einer Weiterleitung des Kindergeldes kann nur gesprochen werden, wenn diese zeitnah innerhalb eines Monats nach Auszahlung oder Überweisung des Kindergeldes erfolgt (Anschluss an die sozialhilferechtliche Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 23/06 R = BSGE 99, 262 = SozR 4-3500 § 82 Nr 3).

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 28. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dass höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) ohne Anrechnung von Kindergeld erbracht werden.

Der 1967 geborene Antragsteller polnischer Staatsangehörigkeit lebt nach eigenen Angaben seit über sechs Jahren in Deutschland. Er bewohnt eine 35,61 m² große 2-Zimmer-Wohnung für eine monatliche Gesamtmiete von 280,00 EUR. Seine 1971 geborene Ehefrau und seine drei, im Februar 1991, Mai 1992 und August 1996 geborenen Kinder leben in Polen. Für die drei Kinder bezieht der Antragsteller Kindergeld in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Kindergeldanspruch nach dem Einkommenssteuergesetz und den in Polen gewährten Familienleistungen. Die mit Bescheid vom 13. Oktober 2011 vorläufig bewilligten Kindergeldleistungen belaufen sich auf 488,74 EUR monatlich. Sie gehen auf das Girokonto bei der Sparkasse L… ein, das der Antragsteller auch gegenüber dem Antragsgegner angab und dessen alleiniger Inhaber nach Aktenlage der Antragsteller ist.

Auf den Antrag vom 15. September 2011 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 vorläufig Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 29. Februar 2012 in Höhe von 86,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2011 und in Höhe von monatlich 96,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 29. Februar 2012. Nachdem der Antragsteller den Bescheid der Familienkasse L… vom 13. Oktober 2011 vorgelegt hatte, bewilligte ihm der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 17. Januar 2012 Leistungen für Oktober bis Dezember 2011 in Höhe von monatlich 155,26 EUR sowie für Januar und Februar 2012 in Höhe von monatlich 165,26 EUR.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers legte mit Schriftsatz vom 31. Januar 2012 Widerspruch gegen den Änderungsbescheid ein. Aus § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II folge, dass auch nach dem SGB II Kindergeld dem Kindesunterhalt dienen solle. Aus § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II folge, dass Kindergeld nicht beim Antragsteller anzurechnen sei.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. März 2012 bis zum 31. August 2012 in Höhe von monatlich 165,26 EUR. Hierzu wurde unter dem 3. Mai 2012 ein Änderungsbescheid erlassen.

Bereits am 31. Januar 2012 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er hat vorgetragen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau ein gemeinsames Konto hätten, auf welchem alle Einnahmen eingehen und von dem alle Ausgaben bestritten würden. Die Eilbedürftigkeit wurde damit begründet, dass der Antragsteller nur sehr wenig Bargeld und Geld auf dem Familienkonto habe. Er könne nur durch die Hilfe von Verwandten finanziell überleben.

Der Antragsgegner wies im Schriftsatz vom 8. Februar 2012 unter anderem auf die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 8 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkomme...

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