Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Zugehörigkeit von Stiefkindern. Einkommensberücksichtigung. Absetzung. Tilgungsleistung für Hauskredit. Beitrag für Kfz-Haftpflichtversicherung. Rücklage für Ersatzkraftfahrzeug -Werbungskosten. Verlustausgleich. Fehlen einer Härtefallregelung. Einliegerwohnung

 

Orientierungssatz

1. Zur Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB 2 gehört auch das Stiefkind des Antragstellers. Auf das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht kommt es dabei nicht an, weil das Gesetz - wie auch bei eheähnlichen Partnern - davon ausgeht, dass diese Personen zum Einkommen der Einstandsgemeinschaft auch ohne rechtliche Verpflichtung beitragen.

2. Der Anrechnung des Einkommens des Stiefkindes steht die Stiefkinderregelung (vgl LSG Thüringen vom 8.3.2005 - L 7 AS 112/05 ER = NZS 2005, 662) nicht entgegen, da diese lediglich die Anrechnung des Einkommens des Stiefelternteils auf den Bedarf des Stiefkindes verbietet.

3. Im Gegensatz zu Schuldzinsen sind Tilgungsleistungen für einen Hauskredit keine berücksichtigungsfähigen Kosten der selbst genutzten Unterkunft (vgl zur Sozialhilfe BVerwG vom 10.09.1992 - 5 C 25/88 = ZfS 1993, 81).

4. Die Kosten einer Kfz-Haftpflichtversicherung je erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind in voller Höhe vom Einkommen abzusetzen, denn die Pauschale des § 3 Nr 1 AlgIIV gilt nicht für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen, zu denen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade die Kfz-Haftpflichtversicherung gehören soll.

5. Eine für eine Anschaffung eines Ersatzkraftfahrzeugs gebildete Rücklage hat nur eine steuerrechtliche Funktion, mindert als fiktive Aufwendung nicht das tatsächlich vorhandene Einkommen und ist daher sozialrechtlich nicht abzusetzen.

6. Werbungskosten sind ausschließlich von denjenigen Einnahmen abzusetzen, mit denen sie im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen; ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten ist nicht möglich.

7. Die AlgIIV verstößt insoweit gegen höherrangiges Recht, als eine Härtefallregelung hinsichtlich des Ausschlusses des Verlustausgleichs nicht getroffen wurde. § 11 Abs 2 Nr 5 SGB 2 ist dann so auszulegen, dass vom Einkommen in Fällen besonderer Härte diejenigen Aufwendungen abzusetzen sind, die zwar nicht zur Erzielung des Einkommens notwendig sind, aber anderweitig unberücksichtigt bleiben.

8. Das Verbot des Verlustausgleichs beruht auf dem Gedanken, dass die Sozialhilfe nicht dem Vermögensaufbau dient und der Staat nicht auf Dauer verlustreiche Einkommensquellen fördern soll; der Hilfebedürftige soll diese Einkommensquellen abstoßen. Handelt es sich bei der Einkommensquelle um eine Einliegerwohnung in dem von der Bedarfsgemeinschaft bewohnten Haus mit einer engen Verbindung beider Wohnbereiche, deren darauf beruhenden schlechten Verwertungsmöglichkeit und der Erwartung einer baldigen Vermietung und Einkommenserzielung, widerspricht dies in diesem Fall dem Zweck, den das Verbot des Verlustausgleichs verfolgt.

 

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23.03.2005 wird aufgehoben.

II. Die Beschwerdegegnerin wird im Wege des einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 178,51 € bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 15.03.2006, vorläufig zu gewähren.

III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

IV. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer dessen außergerichtliche Kosten für Antrags- und Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) von der Beschwerdegegnerin (Bg.).

Der Bf. ist verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend von seiner jetzigen Ehegattin; die beiden haben keine gemeinsamen Kinder.

Im Haushalt des Bf. lebt sein minderjähriger Sohn T. (Sohn), der vierzehnjährige Sohn der Ehegattin J. (Stiefsohn) und eine volljährige Tochter der Ehegattin. Eine außereheliche weitere minderjährige Tochter des Klägers lebt im Haushalt der Kindsmutter.

Der Bf. bezog bis zum 31.12.2004 von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosenhilfe (Alhi); seitdem erzielt er kein eigenes Einkommen. Die Ehegattin erhielt aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.158,00 €; nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verblieben ihr netto 1.623,78 €. Sie ist Eigentümerin eines Grundstückes von 300 qm mit einem Mehrfamilienhaus von 167 qm Wohnfläche. Hiervon sind 117 qm durch die Familie des Bf. selbst bewohnt; die Einliegerwohnung mit einer Größe von 50 qm ist seit März 2005 nicht mehr vermietet.

Der Sohn erhält von der Bg. Alg II in Höhe von monatlich 283,50 €. Der Stiefsohn erhält vom Kindsvater monatlich 277,00 € Unterhalt; an ihn wird Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 € gezahlt.

Am 06.12.2004 beantragte der Bf. bei der Bg. die Bewilligung von Alg II. Im Antrag gab er an, dass seine Gattin und er über drei Gir...

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