Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensverwertung. selbst genutztes Hausgrundstück von unangemessener Größe. Darlehen wegen Unmöglichkeit der sofortigen Verwertung. fehlende Verwertungsbemühungen. keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird jegliche Verwertungsbemühung eines selbst genutzten großen Hausgrundstücks durch die Vermögensinhaber verweigert, scheidet eine darlehensweise Leistungsgewährung nach § 24 Abs 5 SGB 2 aus.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Überprüfung der angemessenen Größe eines selbst genutzten Hausgrundstücks iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 ist nicht nur die von den Hilfebedürftigen bewohnte Wohnung zu berücksichtigen, sondern einzubeziehen sind auch untervermietete Geschäftsflächen und die Wohnfläche einer mietfrei an Familienangehörige überlassenen Wohnung.

2. Die Verwertung des Hauses unter Verlust von 10 bis 15 % im Verkehrswert bei hiermit einhergehender Unterschreitung der Erstellungskosten um ca 28 bis 31 % bei einem Verwertungszeitraum von 6 bis 9 bzw 12 Monaten ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 (Anschluss an LSG Essen vom 1.6.2010 - L 6 AS 15/09).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.08.2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vorläufig in der Zeit ab dem 07.07.2011.

Der 1951 geborene Antragsteller (Ast.) zu 1) und die mit ihm verheiratete 1949 geborene Ast. zu 2) standen seit 2005 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die Ast. bewohnen eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, welche aus Küche, Schlafzimmer, Bad, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Flur besteht und ca. 75 m² groß ist.

Die Wohnung im ersten Obergeschoss wird von der Mutter der Ast. zu 2) unentgeltlich bewohnt.

Eigentümer des Grundstücks in R…, D… St… .., Flurstück 66 und 82/2 ist der Ast. zu 1). Das Grundstück ist mit einem vor 1900 gebauten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Das Wohn- und Geschäftshaus verfügt über eine Wohn- und Nutzfläche von insgesamt knapp 280 m², die gewerbliche Nutzfläche im Erdgeschoss beträgt ca. 68 m², die Wohnfläche im ersten und zweiten Obergeschoss beträgt ca. 148 m². Hinzu kommen 27 m² nicht vermietbare Nebenflächen sowie ca. 35 m² im Hinterhaus (Büro) (vgl. zum Ganzen: Verkehrswertgutachten Nr. 59/2010 vom 20.10.2010 des Gutachterausschusses für die Ermittlungen von Grundstückswerten im Landkreis Mittelsachsen, Bl. 577 ff. VA). Der Gutachterausschuss ermittelte für das Grundstück des Ast. zu 1) zum Bewertungsstichtag 31.08.2004 einen Verkehrswert in Höhe von 64.000,00 EUR. Das Gutachten war veranlasst worden im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Leipzig (SG), in welchem es um höhere Leistungen nach dem SGB II ging.

Nach den von den Ast. vorgelegten Kontoauszügen der finanzierenden Bank, war das Haus im Zeitpunkt der Antragstellung zum 01.07.2011 noch mit einer Schuld in der Größenordnung von ca. 36.500 EUR belastet.

Nachdem der Antragsgegner (Ag.) den Ast. zuletzt mit Bewilligungsänderungsbescheid vom 29.03.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Januar bis März 2011 in Höhe von monatlich 1.107,37 EUR als Zuschuss bewilligt hatte, gewährte der Ag. den Ast. mit Bewilligungsbescheid vom 29.03.2011 Leistungen für den Zeitraum ab dem 01.04.2011 (nur noch) als Darlehen.

Der Bewilligungszeitraum im Bescheid vom 29.03.2011 war auf die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.06.2011 befristet.

Im Bescheid vom 29.03.2011 wies der Ag. die Ast. darauf hin, dass das Hausgrundstück D… St… … Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II darstelle. Es falle nicht unter die Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, weil danach nur Hausgrundstücke “angemessener Größe„ Schonvermögen seien. Laut der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der Landessozialgerichte sei die Größe nur dann noch angemessen, wenn die Wohnfläche nicht mehr als 90 m² für zwei Personen bzw. 110 m² für drei Personen betrage. Laut dem Gutachten 59/2010 betrage die Wohnfläche jedoch fast 280 m². Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien nicht ersichtlich. Der Verkehrswert der Immobilie liege laut dem vom SG eingeholten Gutachten deutlich über der Summe der Höchstfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II. Laut Gutachten sei eine Vermietbarkeit der Wohn- bzw. Gewerbeflächen grundsätzlich gegeben. Seitens des Gerichts sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts ein Anspruch auf Darlehen nur bestehe, wenn erste Schritte zu einer Verwertung der Immobilie vollzogen würden. Der Ag. forderte die Ast. daher nochmals auf, Bemühungen nachzuweisen, di...

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