Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine fiktive Terminsgebühr bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Teilrücknahmeerklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Endet ein sozialgerichtliches Verfahren durch Annahme eines Teilanerkenntnisses und nachfolgende (Teil)Rücknahme fällt keine fiktive Terminsgebühr an.

2. Der Rechtsbegriff angenommenes Anerkenntnis in Nr 3106 S 2 Nr 3 VV RVG (juris: RVG-VV) meint die vollumfängliche Erledigung eines Rechtsstreits in der Hauptsache iS von § 101 Abs 2 SGG.

 

Normenkette

VV RVG Nr. 3106 S. 1 Nr. 3; RVG § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 1, § 1 Abs. 3; SGG § 101 Abs. 2, § 178 S. 1, § 183 S. 1, § 197 Abs. 2

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Kläger führte vor dem Sozialgericht Dresden (SG) das Verfahren S 13 SB 23/10, in dem er die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 ab Dezember 2008 begehrte. Mit Beschluss vom 09.06.2010 bewilligte das SG ihm PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers und setzte am 25.06.2010 einen Vorschuss in Höhe von 321,30 € fest. Am 27.10.2010 gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis ab, wonach er einen GdB von 50 ab Mai 2009 feststellte. Am 22.11.2010 nahm der Kläger dieses Teilanerkenntnis an und erklärte insoweit “teilweise Erledigung in der Hauptsache„. Nachdem der Beklagte sich im Nachgang bereit erklärt hatte, ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, nahm Kläger dieses Kostengrundteilanerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit auch hinsichtlich des Kostenpunktes für erledigt.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 13.01.2011 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung von aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt:

Verfahrensgebühr

 250,00 €

Terminsgebühr

 200,00 €

Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG

 190,00 €

Dokumentenpauschale

 30,55 €

Entgelte für Post und Telekommunikation

 20,00 €

Umsatzsteuer

 131,20 €

abzüglich Vorschuss

 321,30 €

Gesamtbetrag

 500,45 €

Mit Beschluss vom 17.03.2011 setzte die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG)

 250,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr (Nr. 1006 VV RVG)

 190,00 €

Fotokopierkosten (Nr. 7000 VV RVG)

 30,55 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

 20,00 €

Abzüglich gezahlter Vorschuss

 270,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

 41,90 €

Gesamtsumme

 262,45 €

Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden, da das Verfahren nicht durch Anerkenntnis beendet worden sei.

Am 24.03.2011 hat der Beschwerdeführer Erinnerung erhoben, mit der er die Festsetzung einer fiktiven Terminsgebühr begehrte, da das Verfahren nicht durch Teilklagerücknahme, sondern Erledigungserklärung beendet worden sei. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) beachte weder den klaren Wortlaut des Vergütungsverzeichnisses noch den gesetzgeberischen Willen. Mit Beschluss vom 22.03.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Eine fiktive Terminsgebühr sei nicht entstanden, da das Verfahren nicht durch Anerkenntnis, sondern durch Klagerücknahme (im Übrigen) geendet habe. Die Rechtsmittelbelehrung lautet: “Dieser Beschluss ist gemäß § 197 II SGG unanfechtbar.„

Gegen den ihm am 27.03.2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 03.04.2013 Beschwerde erhoben, der das SG nicht abgeholfen hat. Er trägt vor, dass die Beschwerde im Bereich der PKH-Vergütung nicht durch § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen sei. Eine fiktive Terminsgebühr sei in Höhe von 238,00 € festzusetzen. Die Ansicht, dass das Verfahren ausschließlich durch Anerkenntnis enden müsste, sei rechtsirrig. Es genüge ein Teilanerkenntnis. Wegen grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Der Beschwerdegegner hält die Vergütungsfestsetzung für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des bisherigen Kostensenats des Sächsischen LSG.

Dem Senat haben die Akten des Kostenfestsetzungsverfahrens einschließlich des Erinnerungsverfahrens und des PKH-Beihefts sowie die Akten der SG-Verfahren vorgelegen.

II.

1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat der an sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zuständige Einzelrichter die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

2. Die Beschwerde ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG statthaft und auch im Übrigen zulässig. § 197 Abs. 2 SGG ist von vornherein nicht einschlägig, denn diese Norm bezieht sich allein auf die Kostenfestsetzung im Verhältnis der Beteiligten des Klageverfahrens untereinander, nicht jedoch auf die Festsetzung der PKH-Vergütung eines beigeordneten Rechtsanwalts (vgl. hierz...

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