Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ist die Zahl der an sich betriebsbedingt zu kündigenden Arbeitnehmer höher als die Zahl der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf anderen freien Arbeitsplätzen, so kann der Arbeitgeber zunächst diejenigen Arbeitnehmer auswählen, die ohne eine Umschulung/Fortbildung die freien Arbeitsplätze einnehmen könnten.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 03.06.2005; Aktenzeichen 15 Ca 8424/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.06.2005 – 15 Ca 8424/04 – wird auf Kosten der Beklagten

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben der Beklagten vom 30.11.2004 zum 30.06.2005.

Der 1950 geborene Kläger ist verheiratet und hat keine unterhaltspflichtigen Kinder. Nach Angaben der Parteien steht er seit 01.06.1992 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern, welches auf einem Arbeitsvertrag vom 01.05.1991 (Bl. 7 bis 12 d. A.) beruhen soll. In § 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es u. a.:

„Der Arbeitnehmer wird als Schlosser eingestellt.

Die Firma ist berechtigt, dem Arbeitnehmer vorübergehend oder auf Dauer andere zumutbare Arbeiten innerhalb des Unternehmens zuzuweisen.”

Die Parteien vereinbarten ab dem 01.03.2002 eine geänderte Tätigkeit des Klägers als „Lader/Beifahrer” (vgl. Schreiben vom 23.01.2002, Bl. 42 d. A.). Im Einverständnis des Klägers wurde dieser ab 01.08.2004 dem Betriebshof … „zugeordnet” (vgl. Schreiben vom 16.09.2004, Bl. 43 d. A.). Hierzu war der Betriebsrat des Regionalbereichs … der Beklagten, damals firmierend als … GmbH, angehört worden und hatte mit Schreiben vom 02.03.2004 – wenn auch unter Bedenken – der Umsetzung des Klägers zugestimmt.

Die Beklagte beschloss, den Betriebshof … zum 31.12.2004 zu schließen, nachdem der dortige Hauptauftraggeber – die …-Entsorgung im … – den Vertrag über die von der Beklagten zu erbringenden Entsorgungsdienstleistungen gekündigt und eine Analyse der wirtschaftlichen Folgen ergeben hatte, dass die Fortführung des Betriebshofs … dauerhaft defizitär sein würde. Die Beklagte bezieht sich hierzu auf ein Schaubild „Ergebnisentwicklung – BH …” vom 12.10.2004 (Anlage B 4, Bl. 44 d. A.).

Mit Schreiben vom 16.11.2004 (Bl. 46 bis 48 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung von vier Mitarbeitern in …, u. a. war der Kläger aufgeführt, an. Sie teilte dem Betriebsrat mit, dass mit der Schließung des Betriebshofs … alle dortigen Arbeitsplätze entfielen und vorgesehen sei, von den zehn dortigen Mitarbeitern vier (Fahrer) an die Betriebsstätte … sowie einen Mitarbeiter (Fahrer) an den Betriebshof … zu versetzen und – neben den vier betriebsbedingten Kündigungen – einen Mitarbeiter über Altersteilzeit „freizusetzen”. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 26.11.2004 (Bl. 49 d. A.), da bereits mehrere Leiharbeitnehmer „freigesetzt” würden.

Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 30.11.2004 zum 30.06.2005 (Bl. 5/6 d. A.). Das Schreiben ging dem Kläger am 30.11.2004 zu.

Mit am 20.12.2004 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, ein Kündigungsgrund läge nicht vor, die Aufgaben aus … würden im Wesentlichen nach … ausgelagert, deshalb bestünde dort ein höherer Bedarf an Arbeitskräften, schon in der Vergangenheit habe es dort Engpässe gegeben, deshalb seien inzwischen auch die anderen drei Kündigungen zurückgenommen worden. Im Hinblick auf § 3 des Arbeitsvertrages könne der Kläger auch in anderen Standorten eingesetzt werden. Nach dem Sozialtarifvertrag seien zunächst Qualifizierungen und/oder Versetzungen vor einer Kündigung zu prüfen. Auch sei die Sozialauswahl fehlerhaft. Der Kläger sei mit verschiedenen Arbeitnehmern in … und in … vergleichbar, die kürzer im Betrieb und die jünger seien. Zwar verfügten diese über einen Lkw-Führerschein; einen solchen könnte aber auch der Kläger erwerben. Außerdem seien in … und … Arbeitnehmer beschäftigt, die zwar im Besitz eines Lkw-Führerscheins seien, jedoch nur als Beifahrer/Lader beschäftigt würden. Schließlich sei der Betriebsrat – was zu bemängeln wäre – nur schlagwortartig informiert worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.11.2004 nicht beendet wird,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lader/Beifahrer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten seien weder die Arbeitnehmer in … noch diejenigen in anderen Betriebsstätten mit dem Kläge...

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