Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Versetzung. Versetzungsanordnung. AGB-Kontrolle einer formlularmäßigen Versetzungsklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Haben die Arbeitsvertragsparteien das Direktionsrecht des Arbeitgebers zur Zuweisung eines anderen Arbeitsgebiets und eines anderen Arbeitsorts vertraglich im Arbeitsvertrag festgelegt, so ist eine davon abweichende Zuweisung aufgrund des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach § 106 S. 1 GewO nicht mehr möglich.

2. Eine in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Versetzungsklausel, nach der dem Arbeitgeber vorbehalten bleiben soll, den Arbeitnehmer anderweitig einzusetzen und zu versetzen, bleibt hinter der Regelung des § 106 S. 1 GewO zurück und verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 18.06.2008; Aktenzeichen 10 Ca 2149/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 18.06.08 – 10 Ca 2149/07 – wird, soweit sie sich gegen die Ziff. 3 des Urteilstenors richtet, als unzulässig

verworfen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 18.06.08 – 10 Ca 2149/07 –

zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird für die Beklagte, soweit die Berufung gemäß Ziff. 2 zurückgewiesen wurde, zugelassen, im Übrigen nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzungsanordnung durch die Beklagte sowie über Ansprüche des Klägers auf Erstattung von Reisekosten und auf Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte.

Der seit 01.10.1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger in einem Arbeitsverhältnis stehende Kläger wurde gemäß Arbeitsvertrag vom 01.07./14.07.1994 (Bl. 19 bis 22 d. A.), abgeschlossen mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten, der … AG, zum „Bereichsleiter (Partnerstufe III) der Zweigniederlassung … ernannt. In § 1 dieses Arbeitsvertrages heißt es weiter: „Die … behält sich vor, Herrn … – sofern Geschäftsnotwendigkeiten dies erfordern – anderweitig einzusetzen und zu versetzen.” Das Jahresgehalt des Klägers bei der Beklagten betrug zuletzt EUR 176.000,00 brutto.

Zwischen den Parteien kam es zu einem Streit über die Fähigkeiten des Klägers zur Führung der unterstellten Mitarbeiter und zur Betreuung von Kunden. Angebote der Beklagten zum Abschluss eines Auflösungsvertrages lehnte der Kläger in den Monaten Februar und März 2007 ab.

Mit Schreiben vom 02.05.2007 (Bl. 23 d. A.) sprach die Beklagte eine Versetzung des Klägers „zur Niederlassung … in dem Bereich …” aus. Die Versetzung wurde ab 01.07.2007 vollzogen.

Der Kläger kam dieser Versetzung zunächst nach und rechnete Reisekosten wie bei Dienstreisen ab, wobei Dienstreisekosten sowohl dem Grunde wie zunächst auch der Höhe nach zwischen den Parteien streitig sind. In der Abrechnung für den Monat Juli 2007 (Bl. 97 d. A.) legte der Kläger nach der sog. „Reiseart M” der Gesamtbetriebsvereinbarung Reisekosten (GBV), gültig ab 01.10.2004 (Bl. 85 bis 96 d. A.) den Auslösungssatz zugrunde, der erst bei Dienstreisen nach einer mehr als dreimonatigen Dauer zur Anwendung kommt (siehe Abschnitt H der GBV, Bl. 89 d. A.).

Mit Schreiben vom 26.07.07 (Bl. 99/100 d. A.) sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Abmahnung aus, da dieser „in vorsätzlicher Weise Reisekosten abgerechnet” habe. Mit Schreiben vom 27.07.07 (Bl. 101/102 d. A.) mahnte die Beklagte den Kläger wegen der Verwendung der Auslösungssätze nach der „Reiseart M” erneut ab.

Mit Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 05.10.2007 wurde die Beklagte im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens verurteilt, den Kläger bis zu einer abschließenden Entscheidung erster Instanz im Hauptsacheverfahren vorläufig als Bereichsleiter der Zweigniederlassung … am Standort … zu beschäftigen (Az.: …). Aufgrund dieser Entscheidung vollzog die Beklagte die Versetzung nicht weiter.

In dem vorliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger mit am 29.05.07 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage u. a. geltend gemacht, die Versetzung sei unwirksam, denn bereits die vertragliche Versetzungsklausel sei unwirksam. Diese berücksichtige allein die Interessen des Arbeitgebers. Auch sei dem Kläger in … keine gleichwertige Tätigkeit übertragen worden. Er sei dort auf eine Vertriebstätigkeit ohne Mitarbeiterverantwortung beschränkt.

Es gäbe auch keine Geschäftsnotwendigkeit zu einer Versetzung. Der Kläger habe die Mandaten nicht unzureichend betreut. Eine Kritik an seinem Führungsstil sei ihm unbekannt; er habe den Mitarbeitern vielmehr Eigenverantwortung übertragen. Da die Versetzung nach der Ablehnung des Angebots auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages erfolgt sei, bestünde ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Beklagte gegen das Maßregelungsverbot verstoßen habe.

Die begehrten Reisekosten seien wegen der Unwirksamkeit der Versetzung entstanden und als Dienstreisekosten so zu bezahlen. Die „Reisekostenart M” sei irrtümlich ve...

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