Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein ausreichender Kündigungsgrund bei Versetzungsmöglichkeit des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach den tariflichen Regeln des RTV kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen versetzen. Nach dem Ultima Ratio-Prinzip muss der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Kündigung zunächst die Versetzungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer prüfen und - bei Einsatzmöglichkeit auf anderen Baustellen - auch wahrnehmen.

 

Normenkette

RTV für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes § 7 Nr. 2.2, § 9 Nr. 1.2

 

Verfahrensgang

ArbG Zwickau (Entscheidung vom 09.09.2020; Aktenzeichen 9 Ca 322/20)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 09.09.2020 - 9 Ca 322/20 - wird auf Kosten der Beklagten

z u r ü c k g e w i e s e n .

Revision ist nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug noch darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis durch die dem Kläger am 28.02.2020 zugegangene Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2020 zum 31.03.2020 nicht aufgelöst worden ist.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes im ersten Rechtszug wird hier aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des Ausgangsurteils des vom Kläger angegangenen Arbeitsgerichts Zwickau vom 09.09.2020 - 9 Ca 322/20 - Bezug genommen.

Zum einen ist sowohl nach Aktenlage wie nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens das auch zweitinstanzlich relevante Vorbringen beider Parteien in jenem Tatbestand vollständig und im Übrigen richtig beurkundet. Zudem sind keine Tatbestandsrügen erhoben.

Zu ergänzen ist lediglich Folgendes:

§ 7 des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Rahmentarifvertrages für die Angestellten und Poliere im Baugewerbe (fortan: RTV) bestimmt in seinem § 7 (Fahrtkostenabgeltung, Verpflegungszuschuss und Auslösung) u. a. Folgendes:

"1. Allgemeines

Der Angestellte kann sowohl im Büro als auch auf allen Bau- oder sonstigen Arbeitsstellen (Arbeitsstelle) des Betriebes eingesetzt werden, auch wenn er diese von seiner Wohnung aus nicht an jedem Arbeitstag erreichen kann.

2. Begriffsbestimmungen

2.1. Entfernungen

Entfernungen sind nach Maßgabe des kürzesten mit Personenkraftwagen befahrbaren öffentlichen Weges zwischen der Arbeitsstelle und der Wohnung (Unterkunft) des Angestellten zu bestimmen. Ist ein anderer Weg offensichtlich verkehrsgünstiger, so ist die Entfernung danach zu bestimmen.2

2.2. Betrieb

als Betrieb gilt die Hauptverwaltung, die Niederlassung, die Filiale, die Zweigstelle oder die sonstige ständige Vertretung des Arbeitgebers, in welcher der Angestellte eingestellt wird. Wird der Angestellte auf einer Arbeitsstelle eingestellt, so gilt die nächstgelegene Vertretung des Arbeitgebers als Betrieb.

..."

2) Satz 2 gilt ab 1. Januar 2015

Der RTV bestimmt in seinem § 9 (Versetzung) Folgendes:

"1. Begriff der Versetzung

1.1. Versetzt ist, wer aufgrund eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber auf eine Beschäftigungsstelle oder Betriebsstätte außerhalb seines Einstellungsortes geschickt wird und bei dem im Zeitpunkt der Verschickung feststeht oder bei dem sich während der Tätigkeit auf der neuen Beschäftigungsstelle herausstellt, dass er in absehbarer Zeit nicht an den Einstellungsort zurückkehrt, und deshalb auf Veranlassung des Arbeitgebers an seinem neuen Beschäftigungsort oder in dessen Nähe einen neuen Wohnsitz nimmt.

1.2. Eine Versetzung kann nur mit Zustimmung des Angestellten erfolgen.

2. Umzugskosten

2.1. Der Arbeitgeber hat die gesamten Kosten des Umzugs des Versetzten vom Einstellungsort oder Wohnsitz des Versetzten zum neuen Wohnsitz zu tragen. Das Gleiche gilt für die Kosten, die dem Angestellten nach Beendigung der Beschäftigung am Versetzungsort oder den Umzug an seinen früheren Wohnsitz entstehen oder entstehen würden.

2.2. ...

3. Versetzung und Arbeitsvertrag

Der Inhalt des bestehenden Arbeitsvertrages wird durch die Versetzung nicht berührt."

Das Ausgangsgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung vom 27.02.2020 zum 31.03.2020 nicht aufgelöst worden ist.

Abgewiesen hat das Ausgangsgericht ein darüber hinausgehendes allgemeines Feststellungsbegehren des Klägers und den von ihm verfolgten Prozessbeschäftigungsanspruch.

Allein die Beklagte hat gegen das dahingehende ihr am 30.09.2020 zugestellte Urteil - am 21.10.2020 - Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zu deren Begründung bis 30.12.2020 am 07.12.2020 ausgeführt.

Sie weist darauf hin, dass gemäß § 7 Nr. 2.2 RTV als Betrieb i. S. d. tariflichen Regelungen dabei die Hauptverwaltung, die Niederlassung, die Filiale, die Zweigstelle oder die sonstige ständige Vertretung des Arbeitgebers, in welcher der Arbeitnehmer eingestellt werde, gölte.

Das Ausgangsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass sie - die Beklagte - unter Beachtung der tarifvertraglichen Regelungen verpflichtet gewesen sei, einen Einstell...

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