Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungsfreie außerordentliche Kündigung einer Geschäftsführerin bei illoyalem und intrigantem Verhalten gegenüber dem Vereinspräsidenten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein illoyales und intrigantes Verhalten einer Geschäftsführerin gegenüber dem Präsidenten ihres Vereins ist an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen.

2. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine weitere Beschäftigung der Geschäftsführerin trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse der Arbeitnehmerin an dessen Fortbestand abzuwägen; der Einzelfall ist unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bewerten.

3. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen; zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung (etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihrer wirtschaftlichen Folgen), der Grad des Verschuldens der Arbeitnehmerin, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

4. Hat es die Geschäftsführerin eines Vereins gerade darauf abgesehen, den Vereinspräsidenten durch taktische Spielchen dumm dastehen zu lassen und diesem einen gravierenden Imageverlust zuzufügen, und ist auch objektiv das Vertrauen in die Loyalität der Arbeitnehmerin derart erschüttert, dass eine Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen erscheint, kann die Arbeitnehmerin auch angesichts einer mehr als zehneinhalbjährigen Betriebszugehörigkeit nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihr Verhalten auch nur einmalig ohne eine Kündigung hinnimmt.

 

Normenkette

BGB § 314 Abs. 2 S. 1, § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 08.12.2014; Aktenzeichen 11 Ca 3260/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.06.2017; Aktenzeichen 6 AZR 720/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 08.12.2014 - 11 Ca 3260/13 - wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das erstinstanzliche Urteil in seiner Ziffer 1

a b g e ä n d e r t

und die Klage auch insoweit abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin; die erstinstanzlichen Kosten haben die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit zweier fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen vom 07.10.2013 und vom 22.04.2014.

Die 1961 geborene Klägerin ist beim Beklagten als Geschäftsführerin angestellt.

Sie selbst geht von einer anrechenbaren Betriebszugehörigkeit seit dem 01.02.2003 aus, der Beklagte dagegen stellt insoweit auf das Datum 01.11.2011 ab. Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Anwendung des TV-L Ost vereinbart.

Das monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin lag zuletzt bei 4.504,98 € brutto. Mangels ausreichender Beschäftigtenzahl findet das Kündigungsschutzgesetz vorliegend keine Anwendung.

Beim Beklagten handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein, dessen Zweck die Förderung der Unfallverhütung ist.

Die Satzung des Beklagten bestimmt in ihren §§ 11 und 12 u. a. Folgendes:

"§ 11

Präsidium

(1) Das Präsidium besteht aus

- dem Präsidenten

- den drei Vizepräsidenten

- dem Schatzmeister

(2) Je zwei Mitglieder des Präsidiums vertreten gemeinsam die Landesverkehrswacht Sachsen.

(3) Das Präsidium leitet die Landesverkehrswacht und beschließt über deren laufende Geschäfte, soweit sie nicht nach der Satzung in die Zuständigkeit anderer Vereinsorgane fallen. Das Präsidium ist beschlussfähig, wenn drei Mitglieder anwesend sind.

(4) Das Präsidium bleibt bis zur Wahl von Nachfolgern im Amt. Zur Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit kann der Vorstand eines seiner Mitglieder bis zur Wahl mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Präsidiumsmitgliedes beauftragen.

...

§ 12

Geschäftsführung

(1) Am Sitz der ... wird eine Geschäftsstelle unterhalten, die von einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin geleitet wird.

(2) Der (die) Geschäftsführer(in) wird vom Präsidium angestellt und bei Erfordernis vom Präsidium entlassen.

..."

Zwischen der Klägerin und dem Präsidenten des Beklagten kam es zu Unstimmigkeiten, u. a. wegen Reisekostenabrechnungen des Präsidenten sowie von der Klägerin ihrer Ansicht nach geleisteter Überstunden.

Ab dem 06.08.2013 versandte die Klägerin an einen Rechtsanwalt ... verschiedene E-Mails, die u. a. die Taktik der Klägerin zum Gegenstand hatten, den Präsidenten zum Rücktritt zu bewegen. Wegen des genauen Inhalts dieser E-Mails wird auf die Anlagen B 1 bis B 3 verwiesen (vgl. Bl. 49 bis 51 d. A.).

Mit Schreiben vom 09.09.2013 (vg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge