Entscheidungsstichwort (Thema)

Datenschutzgrundverordnung und Datenschutzgesetze der Länder. Widerruf der Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Wichtige Gründe für den Widerruf der Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Allein das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) führt nicht zu einer Beendigung des Mandats eines nach dem Sächsischen Landesdatenschutzgesetz bestellten betrieblichen Datenschutzbeauftragten.

2. Die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten kann nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG aus wichtigem Grund widerrufen werden, einer Teilkündigung bedarf es nicht. Erfolgt der Widerruf, ist die Tätigkeit als betrieblicher Datenschutzbeauftragter nicht mehr Bestandteil der geschuldeten Leistung.

3. Ein Widerruf der Bestellung als betrieblicher Datenschutzbeauftragter kann aus wichtigem Grund begründet sein, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die zur Aufgabenerfüllung erforderliche Sachkunde oder Zuverlässigkeit nicht (mehr) besitzt. Die Zuverlässigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz kann auch in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Eine Überschneidung von Interessensphären kann die vom BDSG geforderte Zuverlässigkeit beeinträchtigen.

 

Normenkette

DS-GVO Art. 38 Abs. 3 S. 2, Abs. 6; BDSG § 6 Abs. 4; SächsLDSG § 11; BGB §§ 626, 315

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 03.04.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1978/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.06.2023; Aktenzeichen 9 AZR 621/19)

BAG (EuGH-Vorlage vom 27.04.2021; Aktenzeichen 9 AZR 621/19 (A))

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 03.04.2019 - 3 Ca 1978/18 - wird auf dessen Kosten

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die wirksame Abbestellung eines betrieblichen Daten schutzbeauftragten.

Der im Zeitpunkt der Klageerhebung 45jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2002 auf der Grundlage des schriftlichen Dienstvertrages vom 25.03.2002 als Mitarbeiter im Fachbereich Veranlagung angestellt (vgl. Anlage K 1) und erzielt eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD. In seiner Tätigkeit obliegt dem Kläger für die Beklagte, die ihrerseits Kommunen des Freistaates Sachsen mit der Bereitstellung und Wartung sowie Beratung über Datenverarbeitungsprogramme betreut, eine Tätigkeit als Anwendungsberater.

Mit Schreiben vom 27.02.2004 wurde der Kläger auf der Grundlage von § 11 Sächsisches Datenschutzgesetz zum Datenschutzbeauftragten bei der Beklagten bestellt (vgl. Anlage K 3). Hierfür zahlt die Beklagte seit dem 01.03.2004 auch eine monatliche Stellenzulage in Höhe von 100,00 € brutto (vgl. Anlage K 4). Der Umfang der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter beträgt regelmäßig ca. 10 % und war zuletzt seit dem 01.01.2018 auf ca. 50 % der Arbeitszeit erweitert, weil der Kläger Projektarbeit zur Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung leistete.

Aufgrund von Handlungsempfehlungen des Sächsischen Landesdatenschutzbeauftragten anlässlich des Inkrafttretens der Datenschutzgrundverordnung (vgl. auszugsweise wiedergegeben in Anlage B 1) entschloss sich die Beklagte, den Kläger mit Schreiben vom 15.08.2018 von der Funktion als Datenschutzbeauftragten zum 31.08.2018 abzubestellen (vgl. Anlage K 5). Mit Schreiben vom 29.08.2018 machte der Kläger die Fortsetzung seiner Tätigkeit als behördlicher Datenschutzbeauftragter über den 31.08.2018 hinaus vorgerichtlich geltend (vgl. Anlage K 6). Die Beklagte lehnte dieses Begehren mit Schreiben vom 30.08.2018 ab (vgl. Anlage K 7).

Mit der am 05.09.2018 vor dem Arbeitsgericht Dresden erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung des Fortbestandes seiner Rechtsstellung als behördlicher Datenschutzbeauftragter über den 31.08.2018 hinaus gerichtlich geltend gemacht.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Rechtsstellung des Klägers als Datenschutzbeauftragter zu beenden. Soweit sich die Beklagte auf eine - nicht bestehende - Interessenkollision zwischen den beruflichen Tätigkeiten und denen des Datenschutzbeauftragten des Klägers berufe, könne dieser nicht verborgen geblieben sein, dass er seit 15 Jahren unverändert beide Tätigkeiten ausgeübt habe. Ein wichtiger Grund für die Abberufung liege nicht vor und werde von der Beklagten auch nicht behauptet. Die Rechtsstellung des Klägers sei auch nicht durch die in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung beendet worden; eine Befristung insoweit ergebe sich weder nach dem Gesetz noch nach dem Arbeitsvertrag. In rechtlicher Hinsicht sei für die Abbestellung eine Teilkündigung erforderlich, die die Beklagte nicht erklärt habe. Darüber hinaus verstoße die Abbestellung gegen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Datenschutzgrundverordnung und ermangele eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 BGB.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Rechtsstellung des Klägers als behördlicher Datenschutzbeauftragter der Beklagten nicht ...

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