Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Oberarzt. TV-Ärzte

 

Leitsatz (amtlich)

Das Merkmal „vom Arbeitgeber übertragen” der 1. Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 des § 12 TV-Ärzte ist dann erfüllt, wenn die Aufgaben vom Klinikdirektor zugewiesen wurden und der Arbeitgeber trotz positiver Kenntnis hiervon den Arzt diese Tätigkeiten über einen längeren Zeitraum ausüben lässt, ohne zu widersprechen

 

Normenkette

TV-Ärzte § 12

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Urteil vom 11.09.2007; Aktenzeichen 5 Ca 2317/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 09.12.2009; Aktenzeichen 4 AZR 495/08)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.09.2007 – 5 Ca 2317/07 – wird auf Kosten des Beklagten

zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die Klägerin ist seit dem 01.05.1986 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger beschäftigt. Ausweislich des Änderungsvertrages vom 07.08.1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Nach diesem Änderungsvertrag war die Klägerin in die Vergütungsgruppe I b der Anlage 1a/1b zum BAT-O eingruppiert. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet des Weiteren der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (fortan: TV-Ärzte) vom 30.10.2006 Anwendung.

Mit Schreiben des Chefarztes und Direktors der Universitätsfrauenklinik vom 06.01.2000 wurde die Klägerin zur Funktionsoberärztin ernannt. Durchgehend seit dem 01.01.2000 leitet die Klägerin zudem sowohl die Gynäkologische Ambulanz als auch das OP-Management. Der Beklagte hatte von dieser Aufgabenzuweisung durch den Klinikdirektor Kenntnis und nimmt die Tätigkeiten der Klägerin bis heute auch unwidersprochen entgegen. Dementsprechend ist die Klägerin auch im ärztlichen Funktionsplan der Universitätsfrauenklinik … etwa vom 13.11.2006 für den Bereich „Gynäkologische Ambulanz und Ambulante Operationen” als verantwortliche Oberärztin aufgeführt.

Die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin der Gynäkologischen Ambulanz macht in etwa 70 % ihrer Arbeitszeit aus. In der Gynäkologischen Ambulanz werden teilstationäre, vorund nachstationäre sowie ambulante Behandlungen durchgeführt. Bei den Patientinnen handelt es sich überwiegend um komplizierte Fälle und multimorbide Patienten, die von erfahrenen niedergelassenen Fachärzten und Chefärzten anderer Krankenhäuser an die Gynäkologische Ambulanz überwiesen werden. Des Weiteren gehören zum Aufgabenbereich der Gynäkologischen Ambulanz das ambulante Operieren sowie die Behandlung und Begutachtung besonderer Fälle (z. B. Sexualdelikte für die Polizei und Staatsanwaltschaft).

In der Gynäkologischen Ambulanz erfolgten im Jahr 2006 3144 Konsultationen. Es wurden weitere 341 Patientinnen aus anderen stationären Einrichtungen aller Fachgebiete des Universitätsklinikums konsiliarisch vorgestellt. Ferner wurden 2006 523 ambulante Operationen durchgeführt. In der Gynäkologischen Ambulanz werden 80 % aller Operationen der Universitätsfrauenklinik sowohl prä- als auch poststationär behandelt (2006 insgesamt 2072 Eingriffe, davon 1112 große und 960 kleine Operationen). Dort arbeiten neben der Klägerin grundsätzlich zwei Fachärztinnen und zwei Assistentinnen in Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Die Indikationsstellung für die präoperativen erforderlichen Untersuchungen erfolgt durch die Klägerin oder in Zusammenarbeit mit der Klägerin. Alle Patienten, bei denen eine größere Operation ansteht, untersucht die Klägerin selbst und stellt die Diagnose. Nach Vorliegen aller notwendigen Voruntersuchungsbefunde stellt die Klägerin die Operationsindikation und legt die Therapie fest, z. B. Art der Operation, Art des Operationszugangs etc. Erst danach kann eine Operationsaufklärung indikationsbezogen erfolgen. Anschließend vergibt die Klägerin den genauen Operationstermin.

Die poststationäre Nachbehandlung umfasst Befundbesprechungen und Erörterung (z. B. histologischer Befund, Wundkontrolle, Fadenentfernung, Wundpflege, Beratung über Verhaltensweise, Besprechung mit der Patientin, ob eine Nachbehandlung und wenn ja in welcher Form – Chemotherapie, Nachbestrahlung – erforderlich ist) sowie die Veranlassung der gegebenenfalls erforderlichen weiteren Behandlungen. Im Notfall (z. B. starke Blutung, akuter Bauch, Eileiterschwangerschaft), der sofort operiert werden muss, wird die Operationsindikation eigenverantwortlich und ausschließlich durch die Klägerin gestellt. Die Patientin kommt dann aus der Ambulanz sofort in den Operationssaal.

In der Gynäkologischen Ambulanz müssen die Ärztinnen in Weiterbildung, wenn kein Fac...

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