Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Eishockey-Profispielers auf Teilnahme am Mannschaftstraining. Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers nach billigem Ermessen. Freistellung vom Mannschaftstraining als Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen den Arbeitsvertragsparteien erhält der Eishockey-Profispieler einen Anspruch auf Teilnahme am regelmäßigen Mannschaftstraining. Denn durch die Teilnahme am Mannschaftstraining erhält der Spieler seine spielerische Leistung. Durch Nichtteilnahme über einen längeren Zeitraum hinweg sinken seine spielerischen Fähigkeiten.

2. Im Arbeitsverhältnis hat der Arbeitgeber sein Direktionsrecht gemäß §§ 106 GewO und 315 BGB nach billigem Ermessen auszuüben. Es entspricht billigem Ermessen, den Eishockey-Spieler zum Mannschaftstraining zuzulassen. Der Arbeitgeber vermochte sein Ermessen gemäß § 315 BGB nur dahingehend auszuüben, dem Spieler die Teilnahme am Training zu ermöglichen. Die Freistellung vom Training stellt einen Ermessensfehlgebrauch dar.

3. Ist eine vom Arbeitnehmer nicht akzeptierte Gehaltsreduzierung erkennbar der Grund für die erfolgte Freistellung vom Mannschaftstraining, liegt ein Verstoß gegen § 612a BGB vor. Denn der Arbeitnehmer war berechtigt, die gewünschte Vertragsänderung durch Gehaltsreduzierung abzulehnen. Die Wahrnehmung eigener berechtigter Ansprüche vermag nicht die Freistellung vom Trainingsbetrieb zu rechtfertigen. Eine Benachteiligung, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt, ist nach § 612a BGB unzulässig.

 

Normenkette

BGB §§ 311, 611a, 242, 249, 280, 241 Abs. 1, §§ 315, 612a; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 04.11.2021; Aktenzeichen 11 Ca 588/21)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.02.2024; Aktenzeichen 8 AZR 359/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 04.11.2021 – 11 Ca 588/21 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision ist zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz lediglich über die Höhe eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichtbeschäftigung als Eishockeyspieler.

Der Kläger war bei der Beklagten als Eishockeyprofi in der zweiten Eishockeybundesliga beginnend mit der Saison 2017/2018, zuletzt auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.02.2019 beschäftigt. Einschließlich vereinbarter Sachbezüge haben die Parteien eine Gesamtbruttomonatsvergütung i.H.v. 6.371,13 € monatlich vereinbart. Der Kläger war von der Mannschaft zum Kapitän gewählt. In der Spielsaison 2019/2020 war er einer der Topscorer.

Die Spielsaison 2019/2020 der zweiten Eishockeybundesliga wurde aufgrund der Corona-Pandemie am 10.03.2020 abgebrochen.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 erklärte die Beklagte zum 01.08.2020 eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Gleichzeitig wurde die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Gehaltsbezügen angeboten. Der Kläger nahm das in der Änderungskündigung enthaltene Angebot unter Vorbehalt an und reichte am 09.06.2020 Änderungskündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Dresden ein.

Beginnend mit Schreiben vom 17.09.2020 stellte die Beklagte den Kläger von dem Mannschaftstraining frei. Der Saisonstart der zweiten Eishockeybundesliga war am 06.11.2020.

Durch einstweilige Verfügung erstritt der Kläger die Zulassung zum Trainingsbetrieb, längstens bis zum 31.03.2021. Nach Verkündung des Urteils am 05.11.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06.11.2020. Die Unwirksamkeit dieser Kündigung wurde zwischenzeitlich durch Anerkenntnis- und Schlussurteil festgestellt.

Der Kläger ist der Ansicht aufgrund der unrechtmäßigen Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, habe er Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgeführten Argumente treffen nicht nur für Bühnenkünstler, sondern genauso auch für Sportprofis zu. Durch die Nichtbeschäftigung entstehe ein Schaden im beruflichen Fortkommen. Er habe als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im ständigen Mannschaftstraining weiter entwickeln und verbessern können. Dadurch leide sein Marktwert. Ein Profispieler bedürfe der ständigen Berufspraxis. Unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei ein Schaden i.H.v. sechs Bruttomonatsgehältern, mithin 38.226,78 € anzusetzen.

Der Kläger hat beantragt, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit noch von Bedeutung,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz i.H.v. 38.226,78 € zu bezahlen nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.3.2021.

Die Beklagten hat beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch auf Schadensersatz bestünde nicht. Die Tätigkeit des Klägers sei nicht ansatzweise vergleichbar mit der Tätigkeit eines Bühnenkünstlers. Ein Profi-Eishockeyspieler habe keinen Anspruch auf Teilnahme an öffentlichen Vorbereitungs- bzw. Meisterschaftsspielen. Ledi...

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