Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung bei verspäteter Mitteilung einer umzugsbedingten Adressänderung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei gegen ihre Verpflichtung aus § § 120a Abs. 2 ZPO absichtlich verstoßen oder aus grober Nachlässigkeit die erforderlichen Angaben unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

2. Dass eine Partei nach einem Umzug viel zu erledigen und je nach persönlicher Situation damit verbunden entsprechend viel an Mehrbelastungen “um die Ohren„ haben kann, ist keine atypische sondern eine typische Situation und kann ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht begründen.

3. “Unverzüglich„ bedeutet bei der Mitteilung der Adressänderung an das Gericht nicht, dass ein Wohnungswechsel dem Gericht innerhalb weniger Tage nach dem Umzug bekanntzumachen ist. Insoweit ist es nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, wenn ein gewisser (kurzer) Zeitraum zwischen Wohnungswechsel und Benachrichtigung des Gerichts vergeht.

4. Ein Zeitraum von mehr als einem Jahr zwischen Wohnungswechsel und Benachrichtigung des Gerichts liegt nicht mehr innerhalb der zuzubilligenden Toleranzgrenzen.

 

Normenkette

ZPO § 120a Abs. 2, § 124 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Leipzig (Entscheidung vom 03.12.2015; Aktenzeichen 3 Ca 806/14)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den die Prozesskostenhilfe aufhebenden Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 03.12.2015 - 3 Ca 806/14 - wird zurückgewiesen .

2. Die Rechtsbeschwerde wird für die Klägerin zugelassen.

 

Gründe

I.

Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Aufhebung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in der ab 01.01.2014 geltenden Fassung wegen unterbliebener Mitteilung der Anschriftenänderung der Klägerin.

Der Klägerin wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 20.05.2014 Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Klage auf Zahlung restlicher Vergütungsansprüche, auf Erteilung einer Lohnabrechnung für November 2013 sowie eines qualifizierten Arbeitszeugnisses bewilligt. Ihr wurde Rechtsanwältin ... als Prozessbevollmächtigte beigeordnet. Eine Ratenzahlungsanordnung erfolgte nicht.

Im Überprüfungsverfahren wurde die Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2015 (Bl. 53 d. A. i. PKH-Heft) aufgefordert, sich zu ihren derzeitigen aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu erklären. Dieses o. g. Schreiben konnte der Klägerin nicht "zugestellt" werden. Es kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück.

Aus der sich anschließenden Anfrage beim kommunalen Kernmelderegister ergab sich, dass die Klägerin bereits am 29.07.2014 umgezogen war und nunmehr unter der im Rubrum ersichtlichen Adresse wohnhaft ist.

Daraufhin wurde die Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2015 (Bl. 56 d. A. i. PKH-Heft) zu einer beabsichtigten Aufhebung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung wegen unterlassener Mitteilung der Anschriftenänderung angehört. Gleiches Schreiben ging auch der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu, die mit Schriftsatz vom 30.10.2015 (Bl. 59 d. A. i. PKH-Heft) die neue Anschrift der Klägerin mit ... in ... mitteilte.

Mit Beschluss vom 03.12.2015 hob das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nach § 124 Ziffer 4 ZPO wieder auf. Der Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 11.12.2015 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23.12.2015, beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangen am gleichen Tag. Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf diverse Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte vor, dass sie zwar die neue Adresse nicht sofort mitgeteilt habe, jedoch sei dies weder absichtlich noch grob fahrlässig erfolgt. Es handele sich hierbei lediglich um eine einfache Fahrlässigkeit; sie habe ihre Sorgfalt in keinem ungewöhnlich hohen Maße verletzt.

Das Arbeitsgericht half mit Beschluss vom 02.03.2016 der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht ab und legte sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet, denn das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n. F. liegen vor, da die Beschwerdeführerin die Mitteilung einer Adressänderung unterlassen hat.

1. Die zum 01.01.2014 erfolgte Neuregelung des § 124 ZPO ist anwendbar. Denn nach § 40 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung sind nur dann, wenn eine Partei vor dem 1. Januar 2014 für einen Rechtszug Prozesskostenhilfe beantragt hat, für diesen Rechtszug die §§ 114 bis 127 der Z...

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