Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Zugehörigkeit des Kindes zu mehreren Haushalten (hier: Haushalt des Vaters und Haushalt der Großmutter). Familienleistungsausgleich. Kindergeldanspruch bei Zugehörigkeit des Kindes zu mehreren Haushalten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Haushaltsaufnahme bedeutet die Aufnahme in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art. Sie setzt ein örtlich gebundenes Zusammenleben von Kind und Berechtigtem in einer gemeinsamen Familienwohnung sowie Anforderungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) voraus.

2. In Ausnahmefällen kann das Kind zu zwei verschiedenen Haushalten gehören (doppelte Haushaltsaufnahme).

3. Gehört das Kind sowohl zum Haushalt eines Elternteils als auch zum Haushalt eines Großelternteils, steht der Kindergeldanspruch in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 2 S. 5 EStG vorrangig dem Elternteil zu, dem Großelternteil dagegen nur, wenn der Elternteil schriftlich auf seinen Vorrang verzichtet.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 Sätze 1, 5, 2; AO 1977 § 37 Abs. 2; BGB § 818 Abs. 3

 

Tenor

1. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 05.09.2003 wird insoweit unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13.01.2004 dahingehend geändert, dass die Festsetzung des Kindergeldes für M. gegenüber dem Kläger ab April 2002 aufgehoben und die Rückforderung auf 2.464 EUR begrenzt wird. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 45 %, der Beklagte zu 55 %.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7/6 der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Höhe abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rückforderung von Kindergeld für den Zeitraum Juli 2000 bis Juli 2003.

Dem Kläger steht seit dem Tod seiner Ehefrau am 13.09.1989 das alleinige Sorgerecht für seinen am 06.11.1988 geborenen leiblichen Sohn M. zu. Dementsprechend bezog er fortlaufend das Kindergeld für diesen bis einschließlich Juli 2003.

Mit formlosem Schreiben vom 24.06.2003 beantragte die Großmutter des Kindes, die Beigeladene Frau I. Sch., das Kindergeld für M., da M. seit ca. drei Jahren in ihrem Haushalt lebe und dort versorgt und betreut werde. Dem Antrag war zum Nachweis eine Anmeldebestätigung der Stadt Ms. vom 19.06.2003 beigefügt, wonach M. seit dem 19.06.2003 in ihrer Wohnung, E.-Str., G. OT At., mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Die Anmeldebestätigung ist von Frau Sch. als Anmeldendem unterzeichnet, die Wohnung des Klägers in der L.-Str. in At. ist dort als Nebenwohnung aufgeführt. Ferner lag dem Antrag ein Schreiben des Landratsamts L. – Jugendamt – vom 19.06.2003 an das Bürgerbüro Ms. bei, in dem bestätigt wird, dass M. seit ca. drei Jahren im Haushalt der Großmutter lebe. Er habe seinen Lebensmittelpunkt nicht im Haushalt des Kindesvaters, sondern bei der Großmutter. Am 08.07.2003 stellte die Großmutter des Kindes einen förmlichen Antrag auf Kindergeld.

Daraufhin wurde nach Anhörung des Klägers die Kindergeldfestsetzung für M. gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 24.07.2003 zunächst ab August 2003, alsdann mit Bescheid vom 05.09.2003 ab Juli 2000 aufgehoben und das für den Zeitraum von Juli 2000 bis Juli 2003 gezahlte Kindergeld in Höhe von 5.410,90 EUR zurückgefordert, da die Großmutter das Kind in ihren Haushalt aufgenommen und somit den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld habe.

Mit seinem Einspruch vom 25.09.2003 trug der Kläger im wesentlichen vor, dass M. im streitigen Zeitraum überwiegend von ihm verpflegt worden sei und nur manchmal bei der Großmutter übernachtet habe. Erst seit drei Monaten (Juni 2003) halte das Kind sich ständig bei der Oma auf. Demgegenüber wiederholte die im Einspruchsverfahren hinzugezogene Großmutter des Kindes ihr Vorbringen, dass M. seit ca. drei Jahren in ihrem Haushalt lebe und dort seinen Lebensmittelpunkt habe. Zum Vater gehe er nur besuchsweise.

Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger trägt vor, sein Sohn M. sei in seiner Wohnung polizeilich gemeldet und nicht bei seiner Oma, der beigeladenen I. Sch.. M. habe sowohl beim Kläger zu hause als auch bei seiner Oma ein Kinderzimmer. Im streitigen Zeitraum habe sein Sohn sich nicht nur bei der Oma aufgehalten. Vielmehr sei er an den Wochenenden von Freitag nach Schulschluss bis zum Montag ständig beim Kläger und dessen Lebensgefährtin gewesen. Auch unter der Woche sei der Sohn fast jeden Tag beim Kläger zu hause und nur teilweise bei seiner Oma gewesen.

Das erhaltene Kindergeld sei bestimmungsgemäß verwendet worden, um Aufwendungen für den Sohn wie Essen und Kleidung zu bestreiten. Einen Teil des Kindergeldes habe er jeden Monat der Großmutter des Kindes durch den Sohn überbringen lassen, der dies auch schon bestätigt habe....

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