Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Zurechnung fiktiven Einkommens wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Zurechnung fiktiven Einkommens ist auch auf die realen Erwerbschancen des Unterhaltspflichtigen abzustellen. Kriterien hierfür sind seine Vorbildung, seine Fähigkeiten und die aktuellen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Merzig (Urteil vom 05.10.2006; Aktenzeichen 20 F 371/03 UK)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5.10.2006 verkündete Teilurteil des AG - FamG - in Merzig - 20 F 371/03 UK - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weiter gehenden Klage verurteilt,

an den Kläger zu 1) 2.488 EUR für die Zeit von Januar 2006 bis Oktober 2007 sowie monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 19,9 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe nach der Regelbetrag-Verordnung ab November 2007,

an den Kläger zu 2) 2.767 EUR für die Zeit von Januar 2006 bis Oktober 2007 sowie monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 52,3 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetrag-Verordnung ab November 2007,

an die Klägerin zu 3) 2.342 EUR für die Zeit von Januar 2006 bis Oktober 2007 sowie monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 52,3 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetrag-Verordnung ab November 2007

zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je 20 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten sowie je 60 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Kläger sind aus der seit dem 19.9.2002 rechtskräftig geschiedenen Ehe ihrer gesetzlichen Vertreterin mit dem Beklagten hervorgegangen. Sie leben bei ihrer Mutter und werden von dieser betreut.

Der Kläger zu 1) absolviert seit August 2007 eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei der Firma XXX in M. und erhält hierfür eine Ausbildungsvergütung i.H.v. monatlich 446,38 EUR. Im Übrigen haben die Kläger keine Einkünfte und kein Vermögen.

Der am. Mai 1964 geborene Beklagte hat keinen Beruf erlernt. Ab 1987 war er bei der Firma J. GmbH in S. in der Produktion beschäftigt. Im November 2002 wurde er im Rahmen betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen versetzt, was dazu führte, dass seine Teamleaderzulage stufenweise abgebaut wurde, so dass sich sein Stundenlohn von 13,31 EUR auf 10,60 EUR verringerte. Mit Schreiben vom 22.2.2005 (Bl. 160 d.A.) kündigte die Firma J. GmbH das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2005 fristgerecht. Im Anschluss daran war der Beklagte zunächst arbeitslos.

Mit ihrer am 20.5.2003 zunächst nur im Entwurf eingereichten Klage machen die Kläger Kindesunterhalt ab Februar 2003 geltend. Mit Beschluss des AG in Saarbrücken vom 22.12.2005 - 109 IK 95/05 - (Bl. 201 d.A.) wurde am selben Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet.

In der mündlichen Verhandlung vom 14.9.2006 haben die Kläger die Verurteilung des Beklagten im Wege des Teilurteils zur Zahlung von 100 % des Regelbetrages gem. der jeweiligen Regelbetrag-Verordnung nach der jeweiligen Altersstufe abzgl. des nach § 1612b Abs. 5 BGB anrechenbaren Kindergeldes, beginnend mit Januar 2006, beantragt.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.

In dem angefochtenen Teilurteil, auf das Bezug genommen wird, hat das FamG den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Beklagte trägt vor, dass er sich entgegen der Auffassung des FamG sehr wohl um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Zudem habe er unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten. Ab August 2006 sei er als Lagerist bei der Firma H. AG in K. beschäftigt.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigen das angefochtene Urteil und tragen ergänzend vor, dass der Beklagte vor der Trennung von der gesetzlichen Vertreterin der Kläger in Wechselschicht zwischen 1.700 und 1.800 EUR netto monatlich verdient habe. Ein solches Einkommen sei ihm auch derzeit zuzurechnen, weil er es bei gehöriger Anstrengung erzielen könnte.

II.Die zulässige Berufung ist teilweise begründet und führt zu der sich aus dem Urteilstenor ergebenden Herabsetzung des vom Beklagten zu zahlenden Kindesunterhalts.

Zwar ist der Beklagte den Klägern dem Grunde nach gem. §§ 1601 ff. BGB zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet, worüber zwischen den Parteien auch kein Streit besteht. Allerdings kann dem Beklagten entgegen der Handhabung des FamG kein Einkommen zugerechnet werden, das es ihm ermöglicht, unter Berücksichtigung seines notwendigen Selbstbehalts den Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Es ist daher eine Mangelfallberechnung vorzunehmen...

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