Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine erfolgreiche Verweisung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verweisung einer Lkw-Fahrerin auf den von ihr früher, Jahre zurückliegend, ausgeübten Beruf einer Verwaltungsangestellten ist auch dann zulässig, wenn sie nicht über PC-Kenntnisse verfügt und daher eine mehrmonatige Einarbeitungszeit benötigt.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 23.01.2007; Aktenzeichen 14 O 93/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.1.2007 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (14 O 93/03) wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche auf Grund einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Vers.-Nr.: 111111111). Bei bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit steht der Klägerin hieraus ein Rentenanspruch i.H.v. 790,68 EUR monatlich zu (Bl. 7 d.A.). Dem Vertrag liegen die AVB-BUZ der Beklagten (Bl. 25 d.A.) zugrunde (Bl. 17 d.A.).

Die Klägerin war als Lkw-Fahrerin in der Baubranche (Güternahverkehr) tätig. Sie erlitt am 27.8.2000 bei einem Sturz vom Fahrrad eine komplette Unterschenkelfraktur, welche durch eine Marknagelung behandelt wurde. Da es dabei zu einer Irritation der Patellasehne sowie zu einer Fistelbildung im mittleren Narbenbereich kam, musste der Nagel tiefer geschlagen und Weichteilgewebe entfernt werden. Es verblieben bei der Klägerin krankhafte Veränderungen im verletzten Bereich, über deren tatsächliches Ausmaß Streit besteht (Bl. 8d. A).

Auf Grund einer außergerichtlichen Vereinbarung vom 5.11.2001 (Bl. 76 d.A.) zahlte die Beklagte von Mai 2001 bis Dezember 2001 Berufsunfähigkeitsrente (Bl. 8 d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, sie sei seit dem Sturz vom Fahrrad bedingungsgemäß berufsunfähig. Nach der Behandlung ihrer Unterschenkelfraktur leide sie an folgenden krankhaften Veränderungen (Bl. 8 d.A.):

  • narbige Verwachsungen am Ligamentum patellae
  • Gefühlsstörungen der Haut im Narbenbereich
  • Schwäche der Oberschenkelmuskulatur.

Daher habe sie, die Klägerin, Beschwerden, auf Grund deren sie Arbeiten, bei denen es zur Belastung des linken Beins komme, nicht mehr ausführen könne. Im Einzelnen seien folgende Tätigkeiten bzw. Verhaltensweisen Auslöser von Beschwerden (Bl. 9 d.A.):

  • Belastung des linken Beines allgemein
  • Langes Sitzen; schmerzhaftes Anschwellen des Unterschenkels sei die Folge
  • Kuppeln; die Kraftanstrengung verursache Schmerzen
  • Be- und Entladen des Lkw, Auf- und Absteigen vom Lkw
  • Hinhocken oder Hinknien seien unmöglich.

In ihrem bisherigen Beruf habe sie Tätigkeiten mit nachfolgend genanntem jährlichem Zeitaufwand verrichtet (Bl. 8 f. d.A.):

  • Fahrzeit: 2.640 Stunden
  • Be- und Entladetätigkeiten: 720 Stunden
  • Planung und Kundenbetreuung: 240 Stunden.

Beim Beladen müssten folgende Tätigkeiten in folgender Reihenfolge verrichtet werden: Abplanen der Ladefläche, Paletten laden und in die richtige Position bringen, Festzurren der Paletten, Aufplanen der Ladefläche, Schließen der Bordwände. Beim Entladen müsse die Klägerin auf die Ladefläche steigen, abplanen, mit Hilfe eines Krans abladen, leere Paletten aufstapeln, festgurten, die Ladefläche abkippen, die Ladefläche säubern.

Diese Tätigkeiten sowie das Fahren könne die Klägerin auf Grund der behaupteten Beschwerden nicht mehr ausüben (Bl. 10 u. d.A.).

Die von der Beklagten aufgezeigten Verweisungstätigkeiten kämen nicht in Betracht (Bl. 86 d.A.). Zur Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellte habe die Klägerin nach mehr als 15 Jahren keinen Bezug mehr. Sie verfüge nicht über die notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (Bl. 97 u. 199 d.A.). Das Berufsbild habe sich zudem durch technische Neuerungen und Änderungen der Ausbildungsordnung gewandelt (Bl. 198 d.A.). Zudem würden die Verweisungsberufe den bisherigen Lebensstandard der Klägerin nicht wahren (Bl. 199 u. 201 d.A.). Tätigkeiten, die mit dem Fahren von Kraftfahrzeugen verbunden seien, kämen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Kupplung nicht mehr bedienen könne (Bl. 97 d.A.). Auch bezüglich der übrigen Verweisungsberufe fehlten der Klägerin die erforderlichen Kenntnisse und Ausbildungen (Bl. 199 f.).

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab Januar 2002 aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nr. 111111111 Leistungen i.H.v. monatlich 790,68 EUR längstens bis Vertragsende am 31.7.2022 zu gewähren, zahlbar monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.8.2002,

2. festzustellen, dass die Beklag...

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