Leitsatz (amtlich)

Gewährt der Versicherer in der Teilkaskoversicherung Deckung bei Schäden durch einen Zusammenstoß mit Tieren und stellt nicht fest, welche Größe das Tier hatte, dem der Versicherungsnehmer auf einer BAB mit der Folge eines Unfallschadens ausgewichen ist, so kommt eine Kürzung des Rettungskostenersatzes um 50 % in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 30.06.2010; Aktenzeichen 12 O 107/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 30.6.2010 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 12 O 107/10 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.178,50 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers im Übrigen wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Parteien je zur Hälfte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweiligen Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.357 EUR festgesetzt.

VI. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche geltend auf Erstattung eines Teilkaskoschadens wegen eines Verkehrsunfalls vom 6.9.2009.

Er unterhält für sein Fahrzeug Ford Focus seit dem 19.1.2009 bei der Beklagten u.a. eine Fahrzeugteilversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 EUR (Zweitschrift des Versicherungsscheins Bl. 43 d.A.). Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Kraftfahrtversicherung zugrunde (im Folgenden: AKB, Bl. 30 d.A.).

§ 12 AKB regelt den Versicherungsumfang (Bl. 36 d.A.):

"(1) Die Fahrzeugversicherung umfasst nach Maßgabe der Ziff. 1 und 2 die Beschädigung, die Zerstörung und den Verlust des Fahrzeugs [...].

I. In der Teilversicherung besteht Versicherungsschutz für

[...]

d) Schäden durch einen Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeugs mit Tieren. [...]."

Der Kläger befuhr am 6.9.2009 gegen 4:45 Uhr auf dem Nachhauseweg von der Bundeswehrkaserne in Zweibrücken mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug die BAB 8 in Fahrtrichtung Luxemburg.

Beim Versuch, auf die Überholspur zu wechseln, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug, fuhr über die Schutzplanke und überschlug sich mehrfach (Bl. 1 der beigezogenen Akte der Zentralen Bußgeldbehörde Az. 000000000). Den an der Unfallstelle eintreffenden Polizeibeamten erklärte er, ihm sei ein Tier, vermutlich ein Reh, vor das Fahrzeug gelaufen. Die Polizeibeamten fanden circa 500 m von der Unfallstelle entfernt einen überfahrenen Hasen.

Der Kläger ließ zur Ermittlung des Fahrzeugschadens ein Sachverständigengutachten erstellen. Der Sachverständige hat einen wirtschaftlichen Totalschaden festgestellt, die Reparaturkosten auf 20.000 EUR (inklusive MwSt.) beziffert, den Wiederbeschaffungswert auf 6.500 EUR, den Restwert auf 20 EUR (Bl. 4 d.A.). Der Kläger forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 2.10.2009 (Bl. 23 d.A.) unter Fristsetzung auf den 15.10.2009 auf, ihm den Wiederbeschaffungswert und eine Auslagenpauschale von 27 EUR abzgl. des Restwerts für das Fahrzeug zu ersetzen, insgesamt 6.507 EUR. Die Beklagte zahlte nicht.

Der Kläger hat behauptet, er sei mit ungefähr 130 km/h auf der rechten Spur der Autobahn gefahren, als er gesehen habe, dass sich ein Tier - möglicherweise ein Reh oder auch ein Kaninchen - von der Mitte her in Richtung zur rechten Fahrspur bewegt habe. Er habe lediglich die aufleuchtenden Augen sehen können. Als er auf die Überholspur habe wechseln wollen, um vielleicht vorbei lenken zu können, habe er wohl das Steuer zu sehr eingeschlagen, sodann aus Schreck die Hände vors Gesicht gehalten, einen Anstoß gespürt - von dem er nicht sagen könne, ob es sich um den Anstoß an die Mittelleitplanke gehandelt habe -, und er sei ins Schleudern geraten (informatorische Anhörung des Klägers vor dem LG am 9.6.2010, Bl. 65, 66 d.A.).

Der Kläger hat den Schadensbetrag - nunmehr abzgl. der vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 EUR - i.H.v. 6.357 EUR geltend gemacht sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltkosten.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn einen Betrag i.H.v. 6.357 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2009 zu zahlen;

2. an ihn Rechtsanwaltkosten i.H.v. 603,93 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass Ursache des Unfalls ein wegen eines Tieres ausgeführtes Ausweichmanöver gewesen sei. Schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers sei es nicht zu einem Zusammenstoß mit einem Tier gekommen und ein Fall des § 12 Abs. 1d AKB daher nicht gegeben (Bl. 29 d.A.).

Mit dem am 30.6.2010 verkündeten Urteil (Bl. 67 d.A.) hat das LG Saarbrücken die Klage abgewiesen. Einen Zusammenstoß mit einem Tier ...

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