Leitsatz (amtlich)

Zur Amtshaftung der Gemeinde bei Rückstauschäden. Trotz fehlender Rückstausicherung stehen einem Grundstückseigentümer Amtshaftungsansprüche aus einem Rückstauschaden zu, wenn der Rückstau durch Reparaturarbeiten der vor Ort tätigen Mitarbeiter der Gemeinde erst hervorgerufen wurde und bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt durch zumutbare Maßnahmen vermieden worden wäre.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 08.03.2004; Aktenzeichen 4 O 430/03)

 

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 8.3.2004 - 4 O 430/03 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 883,67 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.6.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird bis zur Teilrücknahme der Klage auf 1.803 EUR festgesetzt und für das nachfolgende Verfahren auf 1.303 EUR.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die beklagte Gemeinde auf Schadensersatz wegen eines Wasserschadens in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens in ... Nach einer Störmeldung über die Fernwirkanlage des Abwasserwerks im Gemeindebezirk führte die Beklagte am 28.8.2002 Arbeiten am Schachtbauwerk im Bereich der ...-straße vor dem Anwesen des Klägers durch. Hierbei wurde zunächst das Schachtbauwerk mittels externer Pumpen entleert und gleichzeitig das zulaufende Schmutzwasser durch einen im Schachtbauwerk montierten Schieber zurückgehalten. Das sich im Zulaufkanal ansammelnde Wasser wurde über einen Notüberlauf in einen Vorflutgraben entsorgt.

Während der Reparaturarbeiten setzte starker Regen ein, der dazu führte, dass sich in dem gesperrten Hauptkanal ein Rückstau bildete, wodurch Wasser in den Keller des an den Hauptkanal angeschlossenen Anwesens des Klägers eindrang. Das Anwesen verfügt über keine Rückstausicherung.

Die gemeindliche Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage der Gemeinde W. i.d.F. vom 18.12.2002 (im Folgenden: AbwS) enthält u.a. folgende Bestimmungen:

§ 3

(3) Gegen den Rückstau des Abwassers aus dem gemeindlichen Entwässerungsnetz in die angeschlossenen Grundstücke hat sich jede/r Anschlussnehmer/in selbst zu schützen. Aus Schäden, die durch einen Rückstau aus dem Abwassernetz entstehen, sind keine Ersatzansprüche an die Gemeinde gegeben.

(4) Kanaleinläufe, Ausgüsse usw., die tiefer als ein Meter über dem Scheitel der Straßenleitung liegen oder sonstwie durch Rückstau gefährdet sind, hat der/die Anschlussnehmer/in durch einen von Hand bedienbaren oder auf andere Weise dem Zweck entsprechenden Absperrschieber gegen Rückstau zu schützen.

In einem Telefonat teilte ein Mitarbeiter der Beklagten den betroffenen Hauseigentümern mit, dass die Schäden von der Beklagten übernommen würden und sich diese ihrer Verantwortung nicht entziehen werde.

Der Kläger hat behauptet, der Zeuge L., ein Anwohner der ...-straße, habe nach dem Einsetzen des Regens die Mitarbeiter der Beklagten darauf aufmerksam gemacht, dass Abwasser in das von ihm bewohnte Anwesen eingedrungen sei. Dennoch hätten diese ihre Arbeiten noch ca. 20 Minuten fortgesetzt und erst danach die Kanalsperrung aufgehoben. Hierdurch seien in die Kellerräume des klägerischen Anwesens in erheblichem Umfange Abwasser und Fäkalien eingedrungen.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger im ersten Rechtszug zuletzt Schadensersatz i.H.v. 723 EUR für die Beschädigung von Gegenständen begehrt, die sich nach seinem Vortrag in den Räumen befunden hätten. Daneben hat der Kläger die Zahlung von 580 EUR beansprucht, da für die Beseitigung der Schäden ein Arbeitsaufwand von insgesamt 29 Stunden, geleistet von vier Personen, angefallen sei. Schließlich hat der Kläger für die eingetretene Geruchsbelästigung, die mehrere Tage angedauert habe, Schadensersatz i.H.v. 500 EUR verlangt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung, weil - dies ist unstreitig - die Anwohner vor Durchführung der Arbeit nicht informiert worden seien. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten mit einem Rückstau rechnen müssen. Spätestens nach der Information durch den Zeugen L. hätte der Kanal zur Vermeidung weiterer Schäden freigegeben werden müssen, weshalb die Fortsetzung der Arbeiten ein vorsätzliches schädigendes Verhalten darstelle. Dieser Gesichtspunkt führe dazu, dass der Ausschluss von Ersatzansprüchen für Rückstauschäden durch die Abwassersatzung nicht greife.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, eine Haftung sei aufgrund der fehlenden Rückstausicherung im Anwesen des Klägers ausgeschlossen. Eine Information der Anwohner über die Sperrung des Kanal sei nicht notwendig gewesen, weil der Schaden durch den plötzlichen Regen und letztlich durch die fehlende Rückstausicherung verursacht worden sei, nicht aber durch...

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