Leitsatz (amtlich)

1. Vermag ein Versicherungsnehmer zu beweisen, dass er bei der telefonischen Bitte um Überlassung einer Versicherungsbestätigung nach § 29a StVZO die Absicht geäußert hat eine Vollkaskoversicherung zu beantragen, und erhält er daraufhin die Deckungskarte ohne ausdrückliche und hervorgehobene Beschränkung auf den Haftpflichtschutz, so genießt er vorläufige Deckung in der Fahrzeugvollversicherung.

2. Ist dabei die Frage der Höhe der Selbstbeteiligung offen geblieben, so ist diese Lücke nach § 315 BGB zu schließen.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 22.09.2005; Aktenzeichen 12 O 70/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.9.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 12 O 70/05 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

"Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.860,76 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.4.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen."

Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt 32 %, die Beklagte trägt 68 % der Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.143,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Erstattung des Wiederbeschaffungswertes des bei einem selbstverschuldeten Verkehrsunfall vom 18.11.2004 schwer beschädigten Pkw Audi A3, 1.9 TDI Ambition, amtliches Kennzeichen SB-XXX (Erstzulassung am 14.11.1996, Laufleistung zum Unfalltag ca. 178.000 km), den der Kläger für seinen Sohn zu einem Preis von 7500 EUR erworben hatte und für ihn versichern wollte. Weder zu einer förmlichen Stellung eines Versicherungsantrags noch gar zu dem Abschluss eines Versicherungsvertrages ist es zwischen den Parteien gekommen. Die Parteien streiten aber darüber, ob die Beklagte zur Leistung aus einer auch eine Vollkaskoversicherung umfassenden Zusage vorläufiger Deckung verpflichtet ist.

Auf eine mündliche Aufforderung des Klägers warf der Versicherungsagent der Beklagten, der Zeuge W., Anfang November 2004 eine Deckungskarte in den Briefkasten des Klägers ein. Was Gegenstand und Inhalt des dazu führenden Gesprächs war, ist zwischen den Parteien streitig.

Unter Hinweis darauf, dass auch "das Vorfahrzeug aus diesem Vertrag" teilkaskoversichert gewesen sei, hat die Beklagte auf die Schadensanzeige des Klägers vom 24.11.2004 (Bl. 12 d.A.) gem. ihrem Schreiben vom 20.12.2004 (Bl. 76 d.A.) - kulanzhalber - lediglich den entstandenen Glasbruchschaden abgerechnet. Eine Erstattung des darüber hinaus gehenden Schadens aus einer Vollkaskoversicherung hat sie dagegen abgelehnt, weil weder ein solcher Versicherungsvertrag abgeschlossen noch eine entsprechende Zusage vorläufiger Deckung erteilt worden sei.

Der Kläger hat behauptet, den Zeugen W. am 5.11.2004 angerufen und ihn um Überlassung einer Deckungskarte für das Fahrzeug gebeten zu haben; dabei habe er dem Zeugen W. ggü. erklärt, er wolle auch eine Vollkaskoversicherung abschließen, über die Höhe der Selbstbeteiligung müsse man bei Antragstellung noch sprechen. So sei grundsätzlich auch bei früheren Vertragsabschlüssen verfahren worden, bei denen es - unstreitig - erst Wochen bis Monate später zu einer förmlichen Antragstellung und Policierung gekommen sei. Dabei sei für sämtliche bei der Beklagten zuvor bereits versicherten Fahrzeuge zumindest eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen worden. Alle neuwertigeren Kfz - wozu auch der nunmehr beschädigte Pkw gehöre - seien durch den Kläger vollkaskoversichert worden; hinzu komme, dass der beschädigte Pkw für seinen 19-jährigen Sohn bestimmt gewesen sei, der noch nicht über ausreichende Erfahrungen im Straßenverkehr verfüge, so dass auch aus diesem Grunde - ebenso wie bei einem über die Ehefrau des Klägers versicherten Pkw des Patenkindes - Vollkaskoschutz beabsichtigt gewesen sei. Der Kläger habe deshalb darauf vertraut, dass auch in diesem Fall vorläufige Deckung auch für Unfallschäden bestehe. Daher sei die Beklagte zur Erstattung des an dem Fahrzeug des Klägers entstandenen (Total-)Schadens in Höhe des Wiederbeschaffungswertes verpflichtet, den der Kläger gem. dem Schadengutachten der D. vom 25.11.2004 (Bl. 6 ff. d.A.) auf 6.900 EUR beziffert hat.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.900 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 243,75 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Kläger habe den Zeugen W. anlässlich eines zufälligen Treffens bei der Post um die Überlassung einer Deckungskarte gebeten, dabei aber nicht verlangt, dass für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen werden solle. Zu einem für den folgenden Montag vereinbarten Termin in dem Versicherungsbüro des Zeugen sei der Kläger nicht erschienen. Das von dem Kläger behauptete Telefonat habe nicht stattgefunden. Vielmehr habe der Kläg...

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