Leitsatz (amtlich)

1. Für das Begehren eines Versicherten auf Erteilung einer zeitlich unbefristeten Leistungszusage für bestimmte physiotherapeutische und physikalische Maßnahmen - Krankengymnastik, Massage und Fango, manuelle Lymphdrainage - durch seinen privaten Krankenversicherer existiert keine vertragliche oder gesetzliche Grundlage.

2. Da ein solches Begehren nicht auf eine bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlung gerichtet ist, kann es auch dann nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden, wenn davon auszugehen ist, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten voraussichtlich dauerhaft nicht bessern wird.

 

Normenkette

MB/KK 2009 § 4 Abs. 3; VVG § 192 Abs. 1, 8; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 04.11.2022; Aktenzeichen 14 O 237/21)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. November 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 237/21 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 5. Januar 1950 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten, ihrem privaten Krankenversicherer, eine dauerhafte Leistungszusage für die Erstattung künftiger, regelmäßig beabsichtigter physiotherapeutischer und physikalischer Maßnahmen. Sie unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung (Versicherungsschein Nr. ...) auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AVB), bestehend aus Teil I - Rahmenbedingungen (RB/KK 2009) und Teil II - Tarifbedingungen (TB/KK 2009), sowie der Bedingungen des Tarifs CV3H; die vereinbarten Leistungen im Versicherungsfall beinhalten u.a. den Aufwendungsersatz für Heil- und Hilfsmittel im Umfang von 100 Prozent, wenn die Heilbehandlung durch einen Primärarzt erfolgt oder verordnet wird oder wenn sie durch einen nicht als Primärarzt geltenden Facharzt erfolgt oder verordnet wird und zuvor ein Primärarzt diese Behandlung veranlasst hat, in allen übrigen Fällen im Umfang von 80 Prozent (Ziff. 2.1 Tarif CV3H). Die Klägerin erlitt im ersten Lebensjahr eine Polioinfektion mit kompletter Lähmung des Körpers; als Folge daraus verbleiben ihr bis heute u.a. Lähmungen im Bereich des linken Beines und des rechten Armes sowie der rechten Hand, mit zunehmendem Alter entwickelte sie ein sog. Post-Polio-Syndrom, d.h. ein Krankheitsbild, bei dem es regelmäßig zu einer Zunahme bereits vorhandener Lähmungen kommt, die jederzeit auftreten können, nicht umkehrbar sind und nur im Rahmen der jeweiligen akuten Behandlung mit Hilfe physiotherapeutischer und physikalischer Maßnahmen behandelt werden können, zudem kam es infolge der Lähmungen zu ausgeprägten degenerativen Veränderungen, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule, ferner besteht eine die Lunge beeinträchtigende linkskonvexe Thorakal-Lumbal-Skoliose.

Die Parteien stritten in der Vergangenheit wiederholt außergerichtlich und gerichtlich über den Umfang der Eintrittspflicht der Beklagten und die Frage, welche Behandlungen die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes tatsächlich regelmäßig benötigt. Im Rahmen eines vor dem Amtsgericht Saarbrücken geführten Rechtsstreits - 122 C 219/16 (14) - erstattete der Sachverständige Prof. Dr. S., Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie, am 25. März 2017 ein orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten zu der Behauptung der Klägerin, dass bei ihr aufgrund immer wiederkehrender massiver Schmerzattacken eine regelmäßige akute physiotherapeutisch überwachte Wärmebehandlung zur Entspannung der Muskulatur medizinisch notwendig sei (Anlage K3), in einem weiteren Rechtsstreit - 121 C 248/15 (13) - legte die Oberärztin Dr. B. der Klinik für Innere Medizin III des Universitätsklinikums des Saarlandes am 18. Februar 2016 ein Sachverständigengutachten auf angiologischem Fachgebiet vor zu der Frage, wie häufig eine Lymphdrainage zur Behandlung des im Rahmen des Post-Polio-Syndroms vorliegenden Lymphödems notwendig sei, insbesondere, ob Lymphdrainagen einmal pro Woche bzw. bei einer Außentemperatur von über 20 Grad Celsius zweimal pro Woche notwendig seien oder ob eine Lymphdrainagebehandlung alle 14 Tage ausreichend sei (Anlage K4). Die ihnen gestellten Beweisfragen wurden seinerzeit von den beiden Sachverständigen in ihrem jeweiligen Gutachten bejaht. Ein im Auftrag der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingeholtes Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. J., Köln, vom 27. Oktober 2019 zur Frage, ob und ggf. in welcher Frequenz die weitere Heilmittelversorgung anerkannt werden könne und ob diese medizinisch notwendig sei, empfahl u.a. die Genehmigung von zweimal pro Woche einer krankengymnastischen Übungsbehandlung auf neurophysiologischer Basis, einer angemessenen schmerzlindernden oder schme...

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